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Aktuelles Aktuelles Medizinstrafrecht   

Suizidprävention in der Psychiatrie

   
25. August 2025

Die Arbeit auf geschlossenen psychiatrischen Stationen ist rechtlich hochrisikohaft: Kontinuierlich sind dort (grund-)rechtlich geschützte Positionen gegeneinander abzuwägen. Dies können Positionen des Patienten und Dritter sein, etwa wenn jemand untergebracht wird, um Fremdschädigungen zu vermeiden. Teils konkurrieren die Rechte des Patienten miteinander, bspw. bei der Fixierung zur Vermeidung von Selbstverletzungen. In den Waagschalen liegen die Freiheit des Patienten einer- und die Gefahr für die fremde oder eigene körperliche Unversehrtheit andererseits. Bei falscher Gewichtung drohen Entscheidern zivil- oder gar strafrechtliche Konsequenzen.

Das OLG Hamm (Beschl. v. 3.4.2025 – 5 Ws 48/25) hatte jüngst über einen Fall mit letalem Ausgang zu entscheiden:

Der betroffene Patient hatte bereits in den Jahren 2012 und 2014 versucht, sich umzubringen. Im Sommer 2021 äußerte er erneut Suizidgedanken, sodass seine sofortige Unterbringung nach dem PsychKG NRW angeordnet wurde. Bei der Aufnahmeuntersuchung wurde seine Suizidalität mit „Hochrisiko“ bewertet.

In einem späteren Gespräch mit einem Arzt distanzierte sich der Patient von seiner Suizidalität. Der Arzt vermerkte dazu, dass sich zwar keine Hinweise auf eine akute Suizidalität ergeben hätten. Aufgrund der ausgeprägten Wahnsymptomatik sei aber von einer akuten Eigengefährdung auszugehen. Am Nachmittag desselben Tages begab sich der Patient in das Bad seines Patientenzimmers, das er von innen verschloss. Anschließend strangulierte er sich mit dem Duschschlauch. Von außen war das Bad nicht einsehbar.

Die Staatsanwaltschaft Paderborn ermittelte gegen den Chef- und einen Assistenzarzt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB). Die beauftragten Sachverständigen stellten fest, dass die Risikoeinschätzung zur Suizidalität den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen habe und ausreichende Überwachungsmaßnahmen eingeleitet worden seien. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren daher ein.

Hiergegen beschwerten sich die Eltern des Verstorbenen erfolglos. Ihren anschließenden Antrag, die Anklageerhebung anzuordnen, wies das OLG als unbegründet zurück:

Grundsätzlich seien untergebrachte Patienten vor selbstschädigenden Verhaltensweisen zu schützen. Die konkreten Sorgfaltsanforderungen ergäben sich aus dem, was nach ärztlicher Sicht für eine Behandlung des Patienten geboten ist. Allerdings ließen sich Suizide weder absolut sicher voraussehen noch seien eine lückenlose Überwachung und Sicherung möglich. Zudem müssten die Maßnahmen die Menschenwürde und die allgemeine Handlungsfreiheit achten (Verhältnismäßigkeit). Hiervon ausgehend und im Anschluss an die überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen sei eine höchstmögliche Sicherheit durch begleitete Duschvorgänge oder einer Entfernung des Duschschlauches nicht zwingend gewesen.

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