Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 13.8.2025 - 5 StR 55/25) hat die Verurteilung eines Anästhesisten wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) im Schuldspruch bestätigt. Nach den Feststellungen des Landgerichts Hamburg hatte sich im Mai 2016 Folgendes zugetragen:
Der 18-jährige Patient litt unter ständigen Schmerzen wegen stark kariöser Zähne. Aus Furcht hatte er sich zunächst jahrelang nicht behandeln lassen. Die sodann geplante Zahnsanierung sollte unter Vollnarkose stattfinden. Für die Betäubung, die einschließlich Einleitungs- und Aufwachphase acht Stunden dauern sollte, war der Angeklagte verantwortlich. Er hatte den Patienten vor der Einleitung nicht darüber aufgeklärt, dass seine apparative Ausstattung nicht den Mindestanforderungen der ärztlichen Leitlinien entsprach und er diesen zuwider auch kein begleitendes Personal einsetzen würde.
Der Umfang der morgens um 9:00 Uhr begonnenen Behandlung erwies sich als größer als gedacht, sodass diese länger als geplant dauerte. Gegen 17:30 Uhr stellte der Angeklagte eine abfallende Sauerstoffsättigung und Pulsfrequenz des Patienten fest. Dessen Werte verschlechterten sich bald weiter. Erst die um 18:10 Uhr notfallmäßig hinzugezogenen Sanitäter schlossen den Patienten an ein EKG-Gerät an. Dieses zeigte eine Nulllinie. Noch am Abend verstarb der Patient im Krankenhaus: Während der Narkose war es, bedingt durch die Spontanatmung durch einen engen Beatmungstubus, zu einem schweren Lungenödem gekommen. Der Angeklagte wusste, dass seine Behandlung standardwidrig war, er hierüber nicht aufgeklärt hatte und die typischen Risiken einer Vollnarkose zum Versterben des Patienten führen konnten. Im Vertrauen auf seine Fähigkeiten ging er jedoch davon aus, dies vermeiden zu können.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen verurteilte ihn das Landgericht wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren, die es zur Bewährung aussetzte: Die Narkose sei eine rechtswidrige Körperverletzung gewesen, da die Einwilligung des Patienten mangels hinreichender Aufklärung unwirksam gewesen sei. Das todesursächliche Lungenödem sei zudem eine spezifische Gefahr der Narkose, sodass der von § 227 StGB vorausgesetzte gefahrenspezifische Zusammenhang ebenfalls gegeben sei.
Der Bundesgerichtshof hat den Schuldspruch bestätigt. Dennoch muss das Landgericht sich erneut mit dem Fall auseinandersetzen, da es bei der Strafzumessung Umstände unbeachtet ließ, die zugunsten des Angeklagten zu gewichten gewesen wären.
Zudem muss das Landgericht über die ebenfalls angeklagte Zahnärztin vollständig neu entscheiden: Der Bundesgerichtshof hob ihren Freispruch auf.
Das Urteil untermauert die Bedeutung der ordnungsgemäßen Aufklärung des Patienten. Bei Fragen rund um das Medizinstrafrecht stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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Pressemitteilung des BGH