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Sachverständigengutachten im Medizinstrafrecht

   
1. August 2023

Im Medizinstrafrecht werden maßgebliche Verfahrensentscheidungen kaum ohne die Einholung medizinischer Sachverständigengutachten getroffen. Gerade bei Vorwurf eines – in aller Regel fahrlässigen – Tötungs- oder Körperverletzungsdelikts sind Staatsanwaltschaften und Gerichte mangels eigener Kenntnisse auf eine medizinische Beurteilung des Sachverhalts angewiesen. Im Fokus stehen stets die Fragen der Sorgfaltspflichtverletzung und ihrer Kausalität für die eingetretene Folge. Auch wenn es sich letztlich um Rechtsfragen handelt, hängt deren Beurteilung von medizinischen Maßstäben ab.

 

Es ist Aufgabe des Sachverständigen, die relevanten Maßstäbe nachvollziehbar darzustellen, zu belegen und sie unter Wahrung des Gebots der Objektivität und Unparteilichkeit auf den Einzelfall anzuwenden. Dabei ist zu erwarten, dass das Gutachten die der medizinischen Wertung zugrunde liegenden Tatsachen vollständig, richtig und sachlich darstellt. In der Praxis gelingt dies nicht immer. In die Darstellung der zugrunde liegenden Tatsachen fließen bereits die ersten Wertungen ein. Dies darf jedoch erst im Rahmen der Beurteilung erfolgen. Auch dabei ist jedoch eine sachliche Bewertung geboten – emotionale Begrifflichkeiten, Superlative und zahlreiche Ausrufezeichen in Gutachten lassen an der Objektivität der Begutachtung erheblich zweifeln.

Daneben fehlt es oftmals an der erforderlichen wissenschaftlichen Qualität. Selbst Gutachten, die jeder methodischen Grundlage entbehren, sind in Strafverfahren keine Seltenheit. Kurze Behauptungen ohne jede Herleitung, Erklärung oder Begründung, fehlende Verweise auf Fachpublikationen, Richt- und Leitlinien sowie Empfehlungen, aus welchen der (vermeintliche) fachärztliche Standard abgeleitet wird, sind Alarmsignale für die Verteidigung im Medizinstrafrecht. Ein solches Gutachten kann nicht verifiziert werden. Die etwaig festgestellten medizinischen Versäumnisse sind nicht nur angreifbar, sondern oftmals auch unzutreffend.

Grundlegend sind auch die Fragen der Fachkompetenz des Gutachters und seines Auftrags. Äußert sich der Gutachter nur zu Aspekten seines Fachgebietes? Führt der Gutachter zu Rechtsfragen aus?

Auch wenn es die Verpflichtung von Staatsanwaltschaft und/oder Gericht ist, die Ausführungen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, beschränkt sich diese zumeist auf eine Plausibilitätskontrolle. Aufgabe der Verteidigung im Medizinstrafrecht ist es daher, sich dezidiert mit dem Gutachten und gegebenenfalls auch der Person des Gutachters auseinanderzusetzen und die Schwachstellen des Gutachtens herauszuarbeiten. Je nach Sachlage müssen diese mit Nachdruck gerügt und weitere Schritte eingeleitet werden.

Ein negatives Gutachten kann bei aller Belastung für die Beschuldigten ein guter Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Verteidigung sein. Wir erörtern mit Ihnen die beste Verteidigungsstrategie vor, bei und nach Einholung von Sachverständigengutachten.


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