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Abrechnungsbetrug bei erschlichener Approbation?

   
16. November 2022

In einer aktuellen Entscheidung hat sich das Bundessozialgericht mit dem Vergütungsanspruch eines Krankenhauses bei einer Behandlung unter Mitwirkung eines Nichtarztes mit ärztlicher Approbation auseinandergesetzt (Urt. v. 26.04.2022 – B 1 KR 26/21 R). Das Gericht hat entschieden, dass ein Krankenhaus gezahlte Vergütungen der Krankenkasse erstatten muss, wenn dem behandelnden Arzt rückwirkend die Approbation entzogen wird.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Betroffene keine ärztliche Prüfung bestanden, aber eine echte Approbationsurkunde durch Vorlage gefälschter Zeugnisse bei der zuständigen Behörde erlangt.  Nach Bekanntwerden der Täuschung nahm die Behörde die Approbation zurück und beseitigte damit rückwirkend die Qualifikation als Arzt.

Das Gericht lehnte einen Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlungen aufgrund des Verstoßes gegen den Arztvorbehalt und damit gegen das Qualitätsgebot ab. Mit Entfallen der fachlichen Qualifikation als Arzt entfällt zugleich die damit verbundene Abrechnungsbefugnis. Bei der Erbringung ärztlicher Leistungen ist die fachliche Qualifikation des Behandlers als Arzt maßgeblich. Der Vergütungsausschluss hat damit trotz der Vorlage einer echten Approbationsurkunde Bestand. Die Approbation enthält die widerlegbare Vermutung, dass der Betroffene über die medizinische Mindestqualifikation verfügt, sie fingiert diese jedoch nicht.

Eine Krankenhausbehandlung ist nach der Ansicht des Gerichts als komplexe Gesamtleistung zu verstehen. Ein einzelner Mangel, hier also die Mitwirkung des Nichtarztes, „infiziert“ die gesamte Behandlung, sodass insgesamt keine Vergütung zu zahlen ist. Daher ist es unerheblich, ob noch andere Personen an der Behandlung mitgewirkt haben oder dass die Leistung an sich medizinisch mangelfrei gewesen ist.

Im Ergebnis trägt das Krankenhaus damit das finanzielle Risiko der Behandlung, selbst wenn es wegen der Vorlage der echte Approbationsurkunde die Beteiligung des Nichtarztes nicht erkennen konnte.

Erfreulich ist dagegen die Klarstellung, dass eine Ausnahme vom Vergütungsausschluss für eigenständige, abgrenzbare Behandlungsabschnitte besteht, an denen der Nichtarzt nicht mitgewirkt hat. Der Vergütungsausschluss dient nach den Ausführungen des Gerichts nämlich einzig der Einhaltung des Qualitätsgebots und keiner weiteren Sanktion des Leistungserbringers.

In strafrechtlicher Hinsicht hat die Entscheidung Auswirkungen auf die Beurteilung des Abrechnungsbetrugs. Nach der – umstrittenen – sog. streng formalen Betrachtungsweise sind die Regelungen des Sozialrechts für die Beurteilung eines Vermögensschadens des jeweiligen Kostenträgers maßgeblich. Leistet der Kostenträger trotz Verstoßes gegen das Sozialrecht – etwa bei Behandlungen durch Nichtärzte – eine Vergütung, so entsteht ihm danach ein Vermögensschaden.

Bei Fragen rund um das Thema Abrechnungsbetrug stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. 


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