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Verteidigung gegen die Durchsuchung der Arztpraxis 

   
7. November 2022

Gemäß dem Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität für 2021 nehmen die Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen zu. Eine in diesen Verfahren von den Strafverfolgungsbehörden gern gewählte und für die Betroffenen besonders unangenehme Ermittlungsmaßnahme ist die Durchsuchung der Arztpraxis, um Beweismittel für die Straftat aufzufinden. Aber muss der beschuldigte Leistungserbringer jede Durchsuchung dulden? Nein, wie der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 27.5.2022 (12 Qs 24/22) eindrücklich zeigt.  

In dem entschiedenen Fall ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs gegen einen Vertragsarzt. Aufgrund von zwei unterschiedlichen Abrechnungsfehlern in zwei Quartalen konstruierte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungshypothese einer systematischen Falschabrechnung. Sie durchsuchte auf Basis die Praxisräumlichkeiten des Beschuldigten, um u.a. Patientenunterlagen und elektronisch gespeicherte Daten aufzufinden. Gegen den Durchsuchungsbeschluss legte der Verteidiger des Beschuldigten Beschwerde ein  – mit Erfolg. Das LG Nürnberg-Fürth erachtete den Durchsuchungsbeschluss als rechtswidrig, da es an dem für die Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdacht mangelte. Zwar wird der Staatsanwaltschaft bei der Annahme eines Anfangsverdachts ein gewisser Spielraum eingeräumt, sodass eine als vertretbar zu wertende Einschätzung des Sachverhalts hinzunehmen ist. Die Grenze des Vertretbaren ist aber überschritten, wenn der von der Staatsanwaltschaft angenommene Anfangsverdacht nicht mehr auf konkreten Tatsachen, sondern auf bloßen Vermutungen und Spekulationen basiert. Die Durchsuchung dient nicht dazu, Tatsachen zur Begründung des Tatverdachts erst herbeizuschaffen.  

Im konkreten Fall war das LG der – zutreffenden – Auffassung, dass aus zwei unterschiedlichen Abrechnungsfehlern in zwei Quartalen jedenfalls kein Generalverdacht der Falschabrechnung konstruiert werden könne. Die bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen waren daher unverzüglich an den Beschuldigten zurückzugeben, die hierbei gespeicherten Daten zu löschen.  

Im Übrigen stellte das LG klar, dass sich die Staatsanwaltschaft, die den Vorwurf des Abrechnungsbetrugs erhebt, regelmäßig nicht durch den Hinweis auf die Pflicht des Vertragsarztes zur peinlich genauen Abrechnung davon befreien könne, die zur Begründung des Tatverdachts erforderlichen Abrechnungsgrundlagen darzulegen; dies insbesondere dann nicht, wenn die einschlägigen Regelwerke, bspw. Verträge, nicht frei zugänglich seien. 

Die Entscheidung zeigt auf, dass Ermittlungsmaßnahmen nicht immer zu dulden sind und effiziente Verteidigung bereits im Ermittlungsverfahren beginnt. Wir empfehlen daher, bei strafrechtlichen Vorwürfen möglichst frühzeitig einen Strafverteidiger zu beauftragen. Unsere im Medizinstrafrecht erfahrenen Rechtsanwälte unterstützen Sie gerne. 


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