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Aktuelles Aktuelles Medizinstrafrecht   

Versuchter Totschlag von Corona-Patienten

   
1. Oktober 2024

Wenn medizinisches Personal zum Straftäter wird, wird das Vertrauen der Gesellschaft in das Gesundheitswesen erschüttert. Das zeigte der Fall eines Krankenpflegers, der wegen Mordes an seinen Patienten in 85 Fällen verurteilt wurde (BGH, Beschluss vom 1.9.2020 - 3 StR 624/19). Doch auch in der Ärzteschaft gibt es gelegentlich Fälle, in denen das Verhalten von Einzelnen nicht den ethischen Standards entspricht, die von dieser Berufsgruppe erwartet werden.

Ein Facharzt für Anästhesiologie wurde vor dem Landgericht Essen in zwei getrennten Verfahren vor dem Landgericht Essen jeweils wegen vollendeten sowie versuchten Totschlags verurteilt. Gegen beide Urteile legte er Revision ein. Die Geschädigten waren schwerkranke Corona-Patienten auf der Intensivstation.

In dem Verfahren wegen vollendeten Totschlags hatte der Angeklagte den Angehörigen bewusst wahrheitswidrig mitgeteilt, dass keine Behandlungsmöglichkeiten mehr beständen. Daraufhin schaltete er das Beatmungsgerät des Patienten ab, was den Sterbeprozess einleitete. Später verabreichte der Angeklagte dem Geschädigten mit Tötungsabsicht eine Überdosis Kaliumchlorid. Der Patient erlitt einen Herzstillstand und verstarb.

In seinem Beschluss vom 29.5.2024 – 4 StR 138/22 hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf. Er stellte fest, dass nicht ausreichend nachgewiesen worden sei, dass die Zuführung von Kaliumchlorid ursächlich für den Tod des Geschädigten war. Die Abschaltung des Beatmungsgeräts hätte den Tod bereits final verursacht haben können. Nach Ansicht des Gerichts fehlte es jedoch an hinreichenden Feststellungen, ob der Angeklagte bei Abschaltung des Beatmungsgeräts bereits mit Tötungsvorsatz gehandelt hatte. In einer neuen Verhandlung muss dies das neue Tatgericht klären.

In dem Verfahren wegen versuchten Totschlags hielt der BGH die Entscheidung des Landgerichts aufrecht. Auch hier konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Verabreichung einer Überdosis an Beruhigungsmitteln den Tod eines 50-jährigen sowie 65-jährigen, die beide im Sterben lagen, herbeigeführt hatte. Die Verurteilung erfolgte lediglich wegen versuchten Totschlags.

Auch und gerade in vermeintlich „eindeutig“ gelagerte Fällen sind also die Strafbarkeitsvoraussetzungen, wie hier Vorsatz und Kausalität, sehr genau zu prüfen.

Auffälliges Verhalten von Personal im Klinikalltag, kann zur Gefahr für Patienten werden. Nach dem Hinweisgeberschutzgesetz sind Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern verpflichtet, eine Meldestelle für Hinweise auf Verstöße einzurichten. Insbesondere in Krankenhäusern sind rechtzeitige Hinweise entscheidend. Wir bieten in einer Kooperation mit medlegal Rechtsanwälte Unternehmen die Möglichkeit, ein speziell auf das Gesundheitswesen abgestimmtes Hinweisgeber-System einzusetzen und zu betreuen.

Bei Fragen rund um das Medizinstrafrecht stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.


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