Zu den 2016 in Kraft getretenen Straftatbeständen der Korruption im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b StGB) wurden bislang nur vereinzelte Gerichtsentscheidungen veröffentlicht, wobei Entscheidungen von Strafgerichten besonders rar sind. Zu letzteren zählt unter anderem der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.1.2022 (18 Qs 24/21, 18 Qs 25/21). Dem Beschluss lag der folgende, vereinfacht dargestellte Sachverhalt zugrunde: Ein Arzt hatte mit einem ausländischen Hotelbetreiber vereinbart, dessen Mitarbeitende gegen Covid-19 zu impfen. Für die Impfung sollte der Arzt je Mitarbeiter einen Betrag i.H.v. 50 EUR zzgl. der Impfstoffkosten erhalten. In der Folgezeit beschaffte ein Apotheker den Impfstoff durch dessen Entnahme aus dem staatlichen Verteilungssystem und verkaufte ihn an den Arzt. Anschließend kam es zu der avisierten Impfaktion, wodurch gegen die Voraussetzungen der Coronavirus-Impfverordnung verstoßen wurde, da die Mitarbeitenden keinen Anspruch auf Überlassung des Impfstoffs hatten.
Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, bei der zum Herbst 2020 die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) eingerichtet worden war, wertete das Verhalten des Arztes und des Hotelbetreibers als Bestechlichkeit (§ 299a StGB) bzw. als Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299b StGB). Die von den Straftatbeständen der §§ 299a, 299b StGB vorausgesetzte Unrechtsabrede, wonach der Heilberufsangehörige einen Vorteil dafür erhalten soll, dass er „einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise“ bevorzuge, war nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg erfüllt, da die erforderliche Wettbewerbssituation (auch) im Wettbewerb zwischen den Patienten um die schnellst- und bestmögliche Versorgung, hier um den Erhalt einer Covid-19-Schutzimpfung, liegen könne.
Dieser Bewertung trat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit begrüßenswerter Deutlichkeit entgegen: „Wettbewerb“ ist nach der Ansicht des Landgerichts nur gegeben beim Gegenübertreten von Waren oder Dienstleistungen gleicher oder ähnlicher Art mit möglichen Absatznachteilen für die Anbieter im Falle ihres gleichzeitigen Vertriebs. §§ 299a, 299b StGB schützen hingegen nicht den Wettbewerb zwischen den Patienten um die schnellst- und bestmögliche Versorgung. Die gegenteilige Auslegung durch die Generalstaatsanwaltschaft verlässt den Bereich zulässiger Interpretation und Konkretisierung der §§ 299a, 299b StGB, überschreitet die Grenze zur unzulässigen Analogie und ist damit verfassungswidrig (Art. 103 Abs. 2 GG).
Trotz dieser klaren Konturierung des Anwendungsbereichs der §§ 299a, 299b StGB bergen diese Straftatbestände weiterhin zahlreiche Unklarheiten, was in der Praxis für eine erhebliche Rechtsunsicherheit sorgt. Gerade in Zweifelsfällen empfiehlt es sich daher, frühzeitig Rechtsrat einzuholen. Die Anwältinnen und Anwälte von Tsambikakis & Partner stehen Ihnen hierfür gerne zur Verfügung.
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