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Abrechnungsbetrug nach Verschreibungszuweisung

   
15. September 2022

Zuweisungen spielen im Gesundheitssektor eine große Rolle, da die erfolgreiche Behandlung oftmals das passgenaue, arbeitsteilige Zusammenwirken verschiedener Leistungserbringer erfordert. Wird die Einbeziehung eines weiteren Leistungsbringers notwendig, so vertrauen Patientinnen und Patienten regelmäßig auf die Empfehlung ihrer Ärztin bzw. ihres Arztes und wenden sich an die empfohlene Person oder Institution. Dieses Vertrauen der Patienten eröffnet ein Missbrauchspotenzial, dem über enge rechtliche Anforderungen an Kooperationen im Allgemeinen und Zuweisungen im Besonderen begegnet wird. Beispielhaft zu nennen sind etwa § 31 M-BOÄ, § 128 SGB V oder §§ 299a, 299b StGB.

Das LG Nürnberg-Fürth hatte jüngst über folgenden Fall zu entscheiden, in dem die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg (ZKG) einem Apotheker Abrechnungsbetrug vorwirft. Dieser habe sich über eine GmbH, die Hilfsmittel vertreibt, von Ärzten absprachegemäß Verschreibungen zuweisen lassen. Dabei habe die GmbH Rezepte für bestimmte Arzneimittel bei den diese Rezepte ausstellenden Ärzten eingesammelt und an den beschuldigten Apotheker weitergegeben, der diese wiederum gegenüber den Krankenkassen abgerechnet haben soll.

In diesem Vorgehen des Apothekers sah das LG einen Abrechnungsbetrug: Das Zusammenwirken mit den verschreibenden Ärzten über die GmbH verstoße gegen das Verbot der Verschreibungszuweisung in § 11 Apothekengesetz (ApoG). Hierbei handele es sich um eine „einigermaßen zentrale“ Berufsausübungsvorschrift. Werde gegen diese verstoßen, so entfalle der Vergütungsanspruch bezüglich der zugewiesenen Verschreibungen – in der Einreichung dieser bei den Kassen liege daher ein Abrechnungsbetrug. Die Entscheidung des LG zeigt damit deutlich die strafrechtlichen Risiken auf, die Kooperationen im Gesundheitssektor bergen können.

Die Ansicht des LG, in der Einreichung der Verschreibungen liege ein Abrechnungsbetrug, überzeugt allerdings nicht: Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, die Leistungserbringung unter Verstoß gegen § 11 Abs. 1 ApoG nicht als Straftat, sondern lediglich als Ordnungswidrigkeit zu sanktionieren (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 ApoG). Die Bestrafung der Leistungsabrechnung als Betrug unterläuft diese gesetzgeberische Klassifizierung. Strafbedürftig erscheint die Abrechnung ohnehin nicht, da der Apotheker die abgerechnete Leistung vollständig und mangelfrei erbracht hat. Die Auszahlung der Vergütung hierfür schädigt das Vermögen der Kassen daher nicht. Lediglich unter Anwendung der – verfehlten – streng formalen Betrachtungsweise, wonach die Vergütung von unter Verstoß gegen abrechnungsrelevante Vorschriften erbrachten Leistungen einen Vermögensschaden der Kassen bedeuten, ließe sich dies anders sehen. Zu klären bliebe indes, ob § 11 Abs. 1 ApoG tatsächlich abrechnungsrelevant ist.

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