Mit Beschluss vom 5. Mai 2021 (4 StR 350/20) konkretisierte der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht von Vertragsärzten und Vertragsärztinnen. Zu entscheiden war über das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht im Zusammenhang mit Verordnungen von häuslicher Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V (Behandlungssicherungspflege).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird eine Vermögensbetreuungspflicht gem. § 266 Abs. 1 Strafgesetzbuch von Vertragsärzten und Vertragsärztinnen für das Vermögen der gesetzlichen Krankenkassen bei Verordnungen von Heilmitteln und ärztlichem Sprechstundenbedarf angenommen. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass Vertragsärzte und Vertragsärztinnen bei diesen Verordnungen verbindlich feststellen, dass die medizinischen Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalls vorliegen und damit das Heilmittel bzw. der Sprechstundenbedarf sowohl notwendig als auch wirtschaftlich ist. Damit hätten es die Vertragsärzte und Vertragsärztinnen in der Hand, die gesetzlichen Krankenkassen zur Zahlung zu verpflichten.
Der Bundesgerichtshof grenzte in seinem Beschluss die Verordnung von Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V von diesen Fällen ab. Im Gegensatz zur Verordnung von Heilmitteln und ärztlichem Sprechstundenbedarf stünden den Krankenkassen weitergehende Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung. Denn die Verordnung müsse zunächst von den Krankenkassen bewilligt werden, sodass es nicht allein in der Hand des verordnenden Arztes oder der verordnenden Ärztin liege, ob es zu einer Leistungserbringung durch die Krankenkassen kommt. Es fehle deshalb an einer die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht begründenden Rechtsmacht der Vertragsärzte und Vertragsärztinnen gegenüber den Krankenkassen.
Wird Vertragsärzten und Vertragsärztinnen eine Strafbarkeit wegen Untreue vorgeworfen, kommt es entscheidend darauf an, in welchem Ausmaß sie über die Leistungserbringung und die Zahlungsverpflichtung für die Krankenkassen bindend bestimmen. Können die Krankenkassen noch auf die Leistungserbringung und damit auf die Zahlungsverpflichtung einwirken, fehlt es an einer Vermögensbetreuungspflicht der Vertragsärzte und Vertragsärztinnen. Achtung: Scheidet eine Untreuestrafbarkeit mangels Vermögensbetreuungspflicht aus, kann im Einzelfall weiterhin eine Strafbarkeit wegen (Abrechnungs-)Betruges in Betracht kommen.
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