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Lebensgefährliche Insulingabe einer Altenpflegerin

   
1. März 2023

Was die Wahrnehmung von Frühwarnzeichen und die Einleitung entsprechender Präventionsmaßnahmen verhindern kann, hat erneut eine Entscheidung des BGH (Urt. v.  07.09.2022 - 6 StR 52/22) gezeigt.

Die Angeklagte arbeitete als Pflegekraft in der Demenzstation eines Altenheims. Am Tattag war sie bei der Betreuung zweier besonders pflegeaufwendiger Bewohner massiv überfordert. Um eine Verlegung der Bewohner zu erzielen und damit ihre Arbeitsbelastung zu reduzieren, verabreichte sie ihnen eine über die letale Menge hinausgehende Dosis Insulin. Die Bewohner verfielen daraufhin in einen lebensbedrohlichen Zustand der Unterzuckerung. Nur aufgrund der folgenden notärztlichen Versorgung und stationären Betreuung konnte das Leben der Bewohner gerettet werden. Die Angeklagte war sich bei der Verabreichung des Insulins wegen ihrer mehrjährigen Tätigkeit darüber bewusst, dass das ständig anwesende Pflegepersonal bei einem akut lebensbedrohlichen Zustand der Bewohner den Notarzt alarmieren würde. Sie wollte nicht den Tod der Bewohner, sondern deren Verlegung. Das Landgericht Würzburg hatte daher nach Gesamtwürdigung der Tatumstände den grundsätzlich für möglich gehaltenen Tötungsvorsatz verneint und die Angeklagte lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Diese landgerichtliche Beweiswürdigung hielt der Überprüfung durch den BGH stand.

Dieser Fall stellt in der Ausgangskonstellation keinen Einzelfall dar. Gerade in Pflegeeinrichtungen und Kliniken sind Mitarbeiter oftmals einer hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt, die das Risiko von Straftaten zulasten der Pflegebedürftigen und Patienten beeinflussen kann. Im schlimmsten Fall kann dabei sogar, wie in dem geschilderten Fall, der Tatvorwurf eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes im Raum stehen.

In den seltensten Fällen erfolgen solche Taten jedoch aus einer Affekthandlung heraus. In der Regel sind zuvor bereits Auffälligkeiten in dem Verhalten oder den Äußerungen des Mitarbeiters festzustellen, die auf eine potenzielle Tatbegehung hinweisen können. So gab es diese Verdachtsmomente auch in dem geschilderten Fall.

Kurz vor der Tat hatte in der Kantine des Altenheims zwischen der Angeklagten und den anderen Pflegekräften ein Gespräch stattgefunden, in dessen Rahmen die Frage aufgeworfen wurde, wieviel Insulin man einem Menschen verabreichen müsse, damit dieser versterbe.

Entsprechend sensibilisierte Kollegen sowie die Möglichkeit anonymer Hinweise können in solchen Fällen Straftaten verhindern.

Wir empfehlen daher die Einrichtung eines Hinweisgeber-Systems, bei dem Mitarbeiter anonym über Verhaltensauffälligkeiten von Kollegen berichten können. Wir bieten Ihnen dabei als Externe die Meldestelle des Tsambikakis-Hinweisgeber-Systems an. Für die Bearbeitung von Hinweisen haben wir einen Prozessablauf etabliert, der eine schnelle, kompetente Reaktion gewährleistet. Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.


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