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Aktuelles Aktuelles Medizinstrafrecht  

Hebamme mit Revision erneut teilerfolgreich

 
7. Oktober 2025

Das LG Verden hatte eine Hebamme wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Körperverletzung zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt (Urt. v. 30.7.2024 – 1 Ks 322 107/23). Nun hatte ihre Revision – erneut (vgl. bereits BGH, Beschl. v. 2.11.2023 – 6 StR 128/23) – teilweise Erfolg.

Die Hebamme hatte im Oktober 2014 die Betreuung der damals schwangeren Nebenklägerin übernommen. Dabei klärte sie die Schwangere nicht über die medizinischen Gefahren einer Hausgeburt auf. Am 9.1.2015 kam es zu einem vorzeitigen Blasensprung, der spätestens am Folgetag die Vornahme einer Antibiotikaprophylaxe durch einen Arzt erfordert hätte. Obwohl noch am selben Abend die Eröffnungswehen einsetzten, hielt die Hebamme an ihrem Ziel einer Hausgeburt fest und beließ es bei der Vereinbarung eines Hausbesuchs für den Folgetag. Dabei war ihr bewusst, dass nach acht Stunden ab Wehenbeginn ein Abbruch der Hausgeburt geboten und die Verlegung in ein Krankenhaus erforderlich gewesen wäre. In der Folge entwickelte sich eine Plazentitis, die Sauerstoffversorgung des Kindes wurde erheblich beeinträchtigt. Das Kind verstarb am 13.1.2015 nach einer mehrminütigen Agonie. Die Mutter erlitt außerdem über das normale Maß hinausgehende Geburtsschmerzen. Wäre das Vorgehen der Hebamme am 10.1.2015 korrigiert worden, hätte das Kind überlebt und der Mutter wären unnötige Leiden erspart geblieben.

Der BGH bestätigte in seinem Beschluss (21.8.2025 – 6 StR 652/24) die Feststellungen des LG, wonach die Angeklagte die Körperverletzungen bedingt vorsätzlich und den Tod des Kindes leichtfertig verursachte. Sie hatte die Risiken und medizinischen Standards gekannt und es gleichwohl unterlassen, ärztliche Hilfe herbeizuholen sowie die medizinisch indizierte Behandlung zu veranlassen. Dabei nahm sie die Körperverletzung sowohl des seit Beginn der Eröffnungswehen von § 223 StGB geschützten Kindes als auch der Mutter billigend in Kauf. Diesem Unterlassen haftete die Gefahr für das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Kindes an, die sich letztlich in dem tödlichen Verlauf auch realisierte.

Allerdings wurde der Strafausspruch des LG aufgehoben, da dieses in seiner Entscheidung zu Lasten der Angeklagten von einem „mehrmonatigen Tatzeitraum“ ausgegangen war. Ein solcher kommt hinsichtlich des ungeborenen Kindes schon deshalb nicht in Betracht, weil ein tatbestandsmäßiges Handeln zum Zeitpunkt der Übernahme der Hausgeburt rechtlich nicht möglich war. Auch rügte der BGH die bei der Strafzumessung i.e.S. als strafschärfend berücksichtigte Dauer der „konkreten Tatausführung“, da für den in Bezug genommenen Zeitraum kein durchgehend tatbestandsmäßiges Handeln festgestellt wurde. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

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