Diagnosefehler können für Patienten im schlimmsten Fall tödlich enden. Daher ist die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Berufsausübung von Ärzten von herausragender Bedeutung. Zu den Aufgaben der Landesärztekammern zählt deswegen die Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten ihrer Kammermitglieder.
Mit der Frage, wie weit die Einstandspflicht des Präsidenten einer Ärztekammer reicht, setzte sich kürzlich das Saarländische Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 4.8.2023 (Az. 1 Ws 28/23) auseinander. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Staatsanwaltschaft dem Präsidenten der Ärztekammer Saarland vorgeworfen, die zuständige Approbationsbehörde nicht von der ihm bekannten Suchterkrankung sowie den über Jahre hinweg gestellten falschen Diagnosen eines Pathologen in Kenntnis gesetzt zu haben. Infolge der unterbliebenen Information waren keine approbationsrechtlichen Maßnahmen gegen den Pathologen – bspw. der Entzug seiner Zulassung – ergriffen worden. Dessen fortgesetzte Fehlbefunde führten dabei mitunter dazu, dass bspw. Krebspatienten nicht die notwendige Behandlung erhielten. Die Staatsanwaltschaft klagte den Präsidenten daher u.a. wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen an.
Das Landgericht Saarbrücken kam hingegen zu dem Ergebnis, dass bereits kein hinreichender Tatverdacht einer Unterlassungsstrafbarkeit vorlag und lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen ab: Die Unterlassungsstrafbarkeit setzt eine rechtliche Einstandspflicht (§ 13 Abs. 1 StGB), die sog. Garantenstellung des Unterlassenden voraus. Eine solche lässt sich nach den Ausführungen des Gerichts nicht aus einem möglichen Verstoß des Ärztekammerpräsidenten gegen seine Pflichten gegenüber der Approbationsbehörde ableiten; die dem Präsidenten obliegende Schutzpflicht für die ordnungsgemäße Berufsausübung diene lediglich dem Allgemeininteresse. Für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einzelner Patienten trifft ihn dagegen nach den Ausführungen des Gerichts keine Schutzpflicht. Eine Einstandspflicht kann nach den Feststellungen des Gerichts auch nicht aus den landesrechtlich vorgesehenen Meldepflichten gegenüber der Approbationsbehörde abgeleitet werden, denn diese dienen nach dem Willen des Gesetzgebers ebenso wenig dem individuellen Patienteninteresse.
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