Kann man im Internet sein, wer man will? – Die Strafbarkeit von falschen Angaben bei Onlinekonten gem. § 269 StGB
Im Internet erzeugen nur wenig Angaben Vertrauen. Bei Onlineplattformen verlassen sich die meisten Nutzenden auf Fotos und die Angabe eines Namens und einer Anschrift. Dabei bestehen viele Unsicherheiten. Handelt es sich um ein echtes Angebot oder möchte jemand die Ware oder das gezahlte Geld ohne Gegenleistung erhalten? Während in der analogen Welt die zur Vorbereitung späterer Betrugstaten gem. § 263 StGB vorgenommene Anfertigung von Dokumenten eine Strafe wegen Urkundenfälschung gem. § 267 StGB nach sich ziehen kann, ist auch das Erstellen von Onlinekonten unter Angabe falscher Personalien nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung wegen Fälschung beweiserheblich Daten gem. § 269 StGB strafbar, so zuletzt BGH mit Beschluss vom 9. Januar 2023 (Az. 1 StR 381/22).
Wie täuschen Täter im Internet?
Wegen Fälschung beweiserheblicher Daten gem. § 269 StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde oder derartige Daten gebraucht.
Diese Art der strafbaren Identitätstäuschung tritt in vielen Formen auf. Nachdem Täter Zugang zu einem redlich genutzten Onlinekonto auf einer Verkaufsplattform wie eBay erlangt haben, können sie beispielsweise die Kontoverbindung des ursprünglich Nutzenden mit einer von ihnen kontrollierten ersetzen. Kauft ein Kunde dann etwas beim ursprünglich Nutzenden, überweist er das Geld auf das Bankkonto des Täters. Daneben können Täter ein Benutzerkonto unter der Angabe einer frei erfundenen Identität oder unter der Identität einer anderen Person anlegen, damit von ihnen geschädigte Kunden ihre Ansprüche nicht gegen die Täter durchsetzen können.
Bei beiden Varianten ist der Tatbestand des § 269 StGB erfüllt. Es werden jeweils Daten bei der Anlegung oder Änderung des Mitgliedskontos so gespeichert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte Urkunde vorliegen würde. Der aus dem Konto ersichtliche Aussteller der Erklärung stimmt nicht mit dem wirklichen Aussteller überein, wobei für den Vertragspartner gerade die Identität des Ausstellers relevant ist, um etwaige Ansprüche gerichtlich durchsetzen zu können.
Ist das auch strafbar, wenn niemand die Identität überprüft?
EBay und andere Online-Handelsplattformen überprüfen die Angaben der Nutzenden bei der Erstellung eines Kontos nicht. Auch die nicht verifizierte Namenseingabe ist eine rechtlich relevante Erklärung über die Identität des Anmeldenden, die – sofern sie falsch ist – zur Herstellung einer unechten Datenurkunde führt. Auch wer sich auf Daten verlässt, ohne die Authentizität des Ausstellers zu verifizieren, wird von § 269 StGB geschützt. Die Beweisbestimmung der Daten folgt aus dem rechtlichen Interesse des Betreibers, gegenüber seinem Vertragspartner etwaige Ansprüche durchsetzen und effektiv sanktionieren zu können. So ist eine Strafbarkeit nicht nur beim Erstellen von Konten auf Handelsplattformen, sondern auf jeglichen Onlineplattformen möglich.
Dies gilt aber dann nicht, wenn deutliche Anzeichen gegen die Beweiseignung der Daten sprechen. Diese kann jedoch nicht allein deshalb verneint werden, weil der Täter die Daten ohne spätere Verifizierung eingibt, obgleich sich das auf den Beweiswert der Daten auswirkt. Auch die Verwendung von Pseudonymen spricht nicht pauschal gegen eine Beweiseignung der Daten. Selbst wenn andere Nutzende kein Vertrauen in die Identität des Nutzenden haben, muss der Plattformbetreiber sich jedoch darauf verlassen können, dass die Person mit den angegebenen Personalien einen Nutzungsvertrag mit ihr abschließen will und die AGB des Unternehmens anerkennt.
Entwicklung der BGH-Rechtsprechung
Zunächst hat der BGH mit vom 21. April 2015 (Az. 4 StR 422/14) nur eine Strafbarkeit gem. § 269 StGB durch die Veränderung von Kontodaten anderer festgestellt. Die Täter hatten sich den Zugang zu mehreren bereits bestehenden eBay Konten anderer Personen verschafft und die Bankverbindung der Nutzenden mit ihrer eigenen ersetzt.
Mit der Frage, ob bereits die Anmeldung mit falschen Personalien strafbar sein kann, hat sich der BGH dann mit Beschluss vom 21. Juli 2020 befasst. Hier unterscheidet der BGH zwischen Plattformbetreibern, die bei der Anmeldung eines Kontos nach Personalien fragen (abermals eBay), und solchen, die lediglich eine E-Mail-Adresse verlangen (damals eBay Kleinanzeigen). Werden Personalien für die Registrierung angegeben, erfüllt der Täter bereits bei der ersten Anmeldung den Tatbestand des § 269 StGB. Müssen keine Personalien angegeben werden, löst erst der Kontakt des Täters mit anderen Nutzenden oder dem Plattformbetreiber unter anderem Namen eine Strafbarkeit gem. § 269 StGB aus.
In den folgenden Jahren übertrug der BGH diese Auslegung auf weitere Online-Dienste. Mit Beschluss vom 6. April 2021 (Az. 1 StR 67/21) hat der BGH die Verurteilung einer Person wegen der Erstellung eines Kontos bei der Deutsche Bahn AG bestätigt. Nach der Registrierung erlangte der Täter Fahrkarten im Gesamtwert von 244.793,99 Euro, die er mit den Kreditkarten anderer bezahlt hat. Auch das Erstellen eines PayPal-Kontos mit fiktiven Kontoverbindungen erfüllt den Tatbestand des § 269 StGB, entschied der BGH mit Beschluss vom 4. August 2022 (Az. 4 StR 81/22).
Fazit
Es ist zu begrüßen, dass die Rechtsprechung inzwischen klarere Vorgaben für mehr Rechtssicherheit etabliert hat, so zuletzt BGH mit Beschluss vom 9. Januar 2023 (Az. 1 StR 381/22). In den bisherigen Urteilen befasste sich der BGH jedoch lediglich mit Plattformen wie eBay, Kleinanzeigen und PayPal.
Noch nicht abschließend geklärt ist der Umgang mit Plattformen, die der Meinungsäußerung dienen; hier ist Anonymität ein hohes Gut. Betreiber von Plattformen, die nicht dem Abschluss von Verträgen dienen, und deren Nutzende müssen in Kauf nehmen, dass die Person, mit der sie interagieren, im Internet ist, wer sie will.
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Diana Nadeborn