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Aktuelles Aktuelles IT-Strafrecht  

Sicherstellung von Webseiten

 
26. November 2024

Wie kommt die Website in die Asservatenkammer?

Bei einer analogen Straftat nimmt der Staat Gegenstände wie Messer, Schusswaffen oder Einbruchswerkzeug in Verwahrung: Entweder gemäß § 94 StPO, um Beweismittel für einen Prozess zu sichern, oder gemäß § 111b StPO, um die Allgemeinheit zu schützen und die Begehungen weiterer Straftaten mit dem Tatmittel zu verhindern. Umstritten ist, ob auch eine Rechtsgrundlage für die Sicherstellung von Websites existiert. Im letzten Jahr übernahm die Generalstaatsanwaltschaft München gemeinsam mit dem LKA Bayern in einem Ermittlungsverfahren wegen der Gründung einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB die Domain der „Letzten Generation“.

Beschlagnahme von Websites gem. § 94 StPO

Ermittlungsbehörden können gem. § 94 StGB Beweismittel, also Gegenstände, die einen Beweiswert für ein Verfahren haben, in staatliche Verwahrung nehmen. Eine Website besteht jedoch aus Daten, die auf dem Server eines Host-Providers zum Abruf zur Verfügung stehen. Obwohl der Begriff „Gegenstand“ im allgemeinen Sprachgebrauch eine Körperlichkeit voraussetzt, ist anerkannt, dass auch Daten beschlagnahmefähig i.S.d. § 94 StPO sind. Hierbei findet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Beachtung. Insbesondere ist der Entzug der Verfügungsgewalt über die auf der Website befindlichen Daten häufig nicht erforderlich. Für die bloße Sicherung von Beweismitteln stellt die Kopie der Inhaltsdaten der Website in der Regel eine gleich effektive Alternativmaßnahme dar.

Vorläufige Sicherung gem. § 111b StPO i.V.m. § 74 StGB

Die Staatsanwaltschaft kann gem. § 111b Abs. 1 StPO iVm. § 74 StGB die vorläufige Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung von Gegenständen der beschuldigten Person beantragen, wenn sie Tatmittel darstellen. Tatmittel sind Gegenstände, die der Täter oder die Täterin zur Begehung einer Tat oder ihrer Vorbereitung genutzt oder dazu bestimmt hat. Da eine Website z. B. ähnlich einer unechten Urkunde der Begehung von Betrugstaten dienen kann, ist die Eigenschaft als Tatmittel zumindest möglich.

Sind Websites Gegenstände iSd. § 74 StGB?

Während die Server-Hardware, auf denen die Daten der Website gespeichert werden, dem allgemeinen Verständnis des Gegenstandsbegriffes entspricht, ist umstritten, ob auch die Daten, aus denen die Website besteht, oder die Domain, unter der die Website erreichbar ist, selbst Gegenstände i.S.d. § 74 StGB sein können.

Das Landgericht Hamburg hat die Gegenstandseigenschaft von Daten in einem Urteil vom 2.9.2013 (Az. 629 Qs 34/13) verneint, da der Wortlaut lediglich Sachen, Forderungen, Immaterialgüterrechte und sonstige Vermögensrechte umfasst. Die Daten auf dem Server seien aber nur „magnetische Polungszustände“, die nicht greif- oder sichtbar sind und ohne einen Datenträger nicht existieren.

Jede Website besitzt aber einen Domain-Namen. Gibt eine Person diesen Namen in den Browser ein, baut sich über das sog. „Domain Name System“ (kurz DNS) eine Verbindung zu der IP-Adresse des Servers, welcher die der Domain zugehörigen Daten enthält, auf. Personen finden so erheblich leichter einen Zugang zu den Inhalten einer Website. Dient die Website beispielsweise der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte gem. § 184d StGB, ist die Domain ein zugehöriges Tatmittel. Der BGH entschied in einer Zwangsvollstreckungssache mit Beschluss vom 5.7.2005 (Az. VII ZB 5/05), dass eine Domain „die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche [ist], die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem der Domainregistrierung zu Grunde liegenden Vertragsverhältnis zustehen.“ Folglich ist die Domain als Forderung ein einziehbarer Gegenstand i.S.d. § 74 StGB.

Wie wird eine Website sichergestellt?

Für die Sicherstellung von Websites existieren mehrere Wege. Die Staatsanwaltschaft kann sich einerseits an den Registerbetreiber wenden. Registerbetreiber sind Gesellschaften, die sog. Top-Domains, wie „.de“ oder „.com“ etc. und deren Zuteilung verwalten. Nach Aufforderung kann der Registerbetreiber DENIC eG eine Domain mit „.de“-Endung „dekonnektieren“. Danach ist die Website nicht mehr durch Eingabe des Domainnamens im Internet-Browser erreichbar. Durch die Eingabe der IP-Adresse der Seite können Personen diese weiterhin aufrufen. Da in der Regel die spezielle IP-Adresse nur einem begrenzten Teil der möglichen Besucher und Besucherinnen bekannt ist, führt dies faktisch zu einer Unauffindbarkeit der Domain. Hat der Registerbetreiber seinen Sitz im Ausland, muss die Staatsanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen in dem jeweiligen Staat stellen.

Als innerstaatliche Maßnahme kann sich die Staatsanwaltschaft auch an den Internetzugangsanbieter wenden. Diese können beispielsweise durch eine sog. DNS-Sperre die Verbindung des Domain-Namens von der IP Adresse und den Inhalt der Domain trennen und die Besucher und Besucherinnen auf eine andere Domain umleiten.

Fazit

Grundsätzlich dürfen Ermittlungsbehörden Domains für eine spätere Einziehung gem. § 111b StPO i.V.m. § 74 StGB sichern. Eine andauernde Beschlagnahme von Websites zur Erlangung von Beweismitteln gem. § 94 StGB ist jedoch in der Regel unverhältnismäßig. In der Praxis ist die Einziehung der Website  - wie sie bei der „Letzten Generation“ öffentlichkeitswirksam angewendet wurde - bisher selten.


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 Diana Nadeborn Diana Nadeborn