+49 221 33 77 23-0
Aktuelles Aktuelles IT-Strafrecht   

Kriminelle Zweckausrichtung einer Handelsplattform

   
8. Juli 2025

Seit dem 01.10.2021 ist das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet gem. § 127 StGB unter Strafe gestellt. Dass bei der Auslegung und Anwendung der Tatbestandsmerkmale noch rechtlicher Klärungsbedarf besteht, zeigt die Rechtsprechung des Landgerichts Bamberg. Dieses hatte sich im Dezember 2023 mit der Frage zu befassen, wie sich der Tatbestand zum Betrieb sogenannter „Dual-Use-Plattformen“ verhält.

Was sind Dual-Use-Plattformen?

„Dual Use“ bedeutet in Bezug auf Internetplattformen, dass diese mehr als eine Nutzungsmöglichkeit haben. Relevant wird dies im Hinblick auf die Strafnorm des § 127 StGB, wenn eine Internetplattform neben legalen, auch illegalen Zwecken dient. Es stellt sich dann die Frage, welche Anforderungen an die kriminelle Zweckausrichtung der Handelsplattform zu stellen sind.

Kriterien für eine kriminelle Zweckausrichtung

Die kriminelle Zweckrichtung der Plattform muss objektiver Natur sein. Ein wichtiges Indiz ist das Angebot auf der Plattform. Vereinzelte illegale Aktivitäten auf der Plattform reichen nicht aus, um eine kriminelle Zweckrichtung zu bejahen. Es muss aber nicht die gesamte Plattform aus illegalen Angeboten bestehen. Nach den Gesetzesmaterialien reicht es in „Dual Use“ Fällen aus, wenn das strafbare Angebot „stark überwiegend“ ist.

Auch die Gestaltung der Plattform kann ein Indiz sein. Macht der Betreiber durch das Erstellen von speziellen Kategorien auf der Website illegale Angebote extra sichtbar, spricht dies für eine kriminelle Ausrichtung.

Teilweise wird vertreten, dass eine glaubwürdige und nachhaltige Compliance der Betreiber tatbestandsausschließend wirkt. Ein bloßes Lippenbekenntnis zu legalen Geschäftspraktiken ist aber nicht beachtlich.

Urteil des LG Bamberg

In dem vom LG Bamberg entschiedenen Fall (Urteil v. 15.12.2023 – 45 KLs 640 Js 3283/22) betraf der über die Plattform zugängliche Content zu 70 Prozent legale Themen. Zwischen Oktober 2021 und Mitte März 2022 betrieb der Angeklagte eine Onlineplattform, die zuletzt eine Zahl von 16.000 Nutzern verzeichnete. Inhaltlich befasste sich die Plattform im Wesentlichen mit zwei Themen: Im Forum fand überwiegend ein Austausch zu aktuellen Themen statt. In einem weiteren Bereich konnten Nutzer illegale Waren, wie insbesondere Betäubungsmittel zum Kauf anbieten.

Das LG Bamberg hat entschieden, dass der Angeklagte durch den Betrieb des Internetforums vorsätzlich den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln gefördert und sich damit u.a. wegen des Betreibens einer kriminellen Handelsplattform im Internet mit Förderung von Straftaten gemäß § 127 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 Abs. 4 StGB strafbar gemacht hat.

Auch wenn in diesem Fall von einem deutlichen Überwiegen strafbarer Angebote nicht gesprochen werden kann, sah das LG Bamberg den Tatbestand dennoch als erfüllt an. Für das Vorliegen einer kriminellen Handelsplattform sei es nicht erforderlich, dass sich der gesamte Inhalt oder zumindest ein überwiegender Teil des Inhalts auf illegalen Handel beziehe. Eine kriminelle Handelsplattform liege auch dann vor, wenn sich die User u.a. über nicht strafbare Inhalte austauschen, sofern der illegale Handel einen zentralen Bestandteil bildet. Dies gelte selbst dann, wenn der legale Austausch gegenüber dem illegalen dominiere, also wie hier 70 Prozent des Inhalts ausmache. Voraussetzung ist, dass die Plattform zumindest auch eine „Kommunikationsstruktur“ für die Abwicklung des strafbaren Handels zur Verfügung stellt.

Bloßes Dulden ausreichend?

Das Urteil widmet sich auch der Frage, ob das bloße Dulden (vereinzelter) illegaler Angebote auf der betriebenen Internetplattform den Tatbestand des § 127 StGB erfüllt. Das LG verneint dies, wenn der illegale Handel auf der Internetplattform lediglich eine geduldete Nebenerscheinung ist. Auch Stimmen in der Literatur schließen es aus, dass einzelne rechtswidrige Angebote auf einer ansonsten legalen Plattform Zeichen einer kriminellen Zweckausrichtung sind, ebenso wenig, wie einzelne untergeordnete legale Angebote eine kriminelle Zielausrichtung ausschließen. Im vorliegenden Fall konnte eine Duldung aufgrund des eigens für die Nutzung geschaffenen Regelwerks zur Qualitätssicherung, Verkaufsmodalitäten und der Kategorisierung des Verkaufsbereichs in „Biete verifiziert“, „Biete“ und „Freihandelszone“, ausgeschlossen werden.

Fazit

Die Rechtsprechung zeigt, dass die Prüfung der Einschlägigkeit des § 127 StGB bei Dual-Use-Plattformen auf einer umfassenden Einzelfallbetrachtung beruhen muss. Der Verweis auf einzelne illegale Angebote vermag die Tatbestandsmäßigkeit ebenso wenig zu begründen, wie das Überwiegen eines legalen Austauschs auf der Plattform die Strafbarkeit entgegenstehen kann.


Kontaktieren Sie uns:

 Diana Nadeborn Diana Nadeborn