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Abhören leicht gemacht mit Alexa

   
8. August 2023

Digitale Assistenten wie Alexa von Amazon können über Sprachbefehle den Alltag vereinfachen. Für die Funktionstüchtigkeit des Geräts speichert es Audioaufnahmen aus Wohnungen und Geschäftsräumen und leitet diese an Server von Amazon weiter. So praktisch dies sein mag, drängt sich jedoch die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen deutsche Ermittlungsbehörden im Rahmen von Strafverfahren auf diese Daten zugreifen können.

1.  Was speichert Alexa?

Amazon speichert laut eigener Website grundsätzlich nur Aufnahmen, nachdem das Gerät ein Aktivierungswort erkennt. Es kann aber auch dazu kommen, dass ein anderes Geräusch oder Wort die Aufnahme aktiviert. Die Speicherdauer dieser Aufnahmen ist durch die Nutzer*in auf den für die Bearbeitung notwendigen Zeitraum begrenzbar. Andere im Zusammenhang mit der Nutzung von Alexa erzeugte Datensätze, wie über Alexa verschickte Nachrichten, Kommunikationsanfragen (z.B. "Alexa, rufe Mama an!") und vorgenommene Bearbeitungsschritte speichert Amazon dennoch. Amazon nimmt den Inhalt von über Alexa getätigte Anrufe hingegen nicht auf.

2.  Nutzungsdatenabfrage nach § 100k StPO

Über die am 02.04.2021 in Kraft getretene Nutzungsdatenabfrage gem. § 100k StPO können Ermittlungsbehörden bei Telemediendienstanbietern Daten erheben, die diese zur Bereitstellung ihrer Dienste speichern müssen. Zu diesen sog. Nutzungsdaten gehören alle von Alexa gespeicherten Daten einschließlich der Audioaufnahmen. Da Nutzungsdaten auch Inhaltsdaten umfassen können, die ohne die Kenntnis des Beschuldigten zuvor nur unter den höheren Voraussetzungen der Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a StPO oder §100b StPO erhoben werden konnten, steht § 100k StPO unter berechtigter Kritik. Der neu eingeführte § 100k StPO senkt die Eingriffsschwelle zur Erhebung von Inhaltsdaten, die gleichzeitig Nutzungsdaten sind, erheblich.

Eine Nutzungsdatenabfrage setzt einen auf Tatsachen basierenden Anfangsverdacht hinsichtlich entweder einer Straftat von im Einzelfall erheblicher Bedeutung oder eines internettypischen Delikts aus dem Straftatenkatalog des § 100k Abs. 2 StPO voraus. Ob eine Tat im Einzelfall schwer wiegt, setzt eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls voraus. Bei dieser Bewertung werden die Schutzwürdigkeit der verletzten Rechtsgüter, der Grad der Bedrohung der Allgemeinheit, die Art der Begehung der Straftat, die Anzahl der Geschädigten und/oder das Ausmaß des Schadens als Indizien für die Schwere der Tat herangezogen.

Die Nutzungsdatenabfrage muss schließlich verhältnismäßig sein. Da hier ähnlich wie bei der akustischen Wohnraumüberwachung gem. § 100c StPO Audioaufnahmen aus geschützten Räumen an Ermittlungsbehörden gelangen, besteht ein erhöhter Begründungsaufwand. Anders als bei § 100c StPO muss sich der Nutzer von Alexa aber bewusst sein, dass Audioaufnahmen von ihm erstellt und zur Bearbeitung an Amazon weitergegeben werden.

3.  Quellentelekommunikationsüberwachung nach § 100a Abs. 1 S. 2 StPO

Neben der Nutzungsdatenabfrage steht den Ermittlungsbehörden auch die Möglichkeit offen, die Aufnahmen von Alexa im Rahmen einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a Abs. 1 S. 2 auszuleiten. Für beide Maßnahmen muss die Anlasstat ein besonders schwerer Fall eines in § 100a Abs. 2 StPO aufgezählten Deliktes sein. Alternative Ermittlungsmaßnahmen müssen die Sachverhaltserforschung wesentlich erschweren oder unmöglich machen.

4.  Online-Durchsuchung nach § 100b oder Wohnraumüberwachung nach §100c StPO

Zur Umwandlung des Echo-Geräts in eine „Wanze“ zur dauerhaften akustischen Überwachung einer Wohnung sind Ermittlungsbehörden nicht befugt. Eine Online-Durchsuchung gem. § 100b StPO ermächtigt Ermittlungsbehörden nur zur Überwachung von Daten innerhalb eines informationstechnischen Systems wie Alexa und nicht zur Erzeugung solcher Daten. Im Rahmen einer akustischen Wohnraumüberwachung gem. § 100c StPO werden zwar solche Aufnahmen erzeugt, auf informationstechnische Systeme dürfen Ermittlungsbehörden jedoch nicht zugreifen.

5.  Kooperation des Telemediendiensteanbieters

Alle Anbieter, die ihre Telemediendienste in Deutschland anbieten, müssen auf Abfrage der deutschen Strafverfolgungsbehörden diese Daten herausgeben. Eine Durchsetzung der Maßnahme bei Anbietern wie Amazon, welche in den USA bzw. Luxemburg sitzen, erfordert hingegen ein Rechtshilfeersuchen. Aufgrund der am 27.06.2023 verabschiedeten E-Evidence Verordnung werden Ermittlungsbehörden ab 2026 die Herausgabe der Daten ohne Rechtshilfeersuchen direkt bei Anbieter anordnen können. Bis dahin besteht aber die Möglichkeit, dass der Anbieter die Aufnahmen freiwillig herausgibt. Eine freiwillige Herausgabe ist im Gegensatz zu den vorher genannten Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich für jegliche Delikte und unabhängig vom vorliegenden Tatverdacht gestattet.

Aufgrund einer freiwilligen Kooperation von Amazon konnte die Staatsanwaltschaft in einem Verfahren wegen Mordes Audioaufnahmen als Beweismittel einführen (Landgericht Regensburg, Urteil vom 16.12.2020 - Ks 103 Js 28875/19). Die im Gerichtssaal abgespielten Aufnahmen von Alexa gaben Aufschluss darüber, dass sich der Täter zum Tatzeitpunkt in der Wohnung des späteren Opfers befand.

6.  Fazit

Die Nutzung von digitalen Assistenten wird die Arbeit von Ermittlungsbehörden erleichtern. Der Zugriff auf Inhaltsdaten ist nun auch im Wege der Nutzungsdatenabfrage möglich. Setzt Amazon die Praxis fort, die Aufnahmen ohne weitere Anordnung weiterzugeben, sinkt der Grundrechtsschutz von Betroffenen sogar noch weiter.


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 Diana Nadeborn Diana Nadeborn