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Auskünfte von Postdienstleistern im Strafverfahren

   
3. Februar 2023

Der Handel mit Betäubungs- und Arzneimitteln – vor allem sog. weichen Drogen wie Cannabis – hat sich teilweise ins Internet verlagert. Auf im Clear- oder Darknet zugänglichen Handelsplattformen wird die Bezahlung durch ein dort bereitgestelltes Treuhandsystem mit Kryptowährung abgewickelt. Um die Ware zu übergeben, werden wider Willen Postdienstleister genutzt, sodass Käufer und Verkäufer nie in persönlichen Kontakt treten, um Ware und Geld auszutauschen. Aus diesem Grund sind Postmitarbeiter für Ermittlungsbehörden häufig die ersten zu ermittelnden Zeugen.

Nicht nur im Zusammenhang mit Drogenhandel über das Internet, sondern auch in Fällen des sog. Warenkreditbetrugs, in denen Täter über das Internet Waren bestellen, diese jedoch nicht bezahlen, kommt Postdienstleistern als Zeugen eine wichtige Rolle zu. In diesen Fällen werden insbesondere Packstationen missbraucht: Reguläre Inhaber einer DHL-Kundenkarte werden vom Transportunternehmen per SMS über das Eintreffen einer Sendung informiert und erhalten auf diesem Wege einen Code, um die Packstation zu öffnen. Um das Entdeckungsrisiko beim Warenkreditbetrug zu verringern, nutzen Täter häufig gephishte Daten von DHL-Kunden. Wie beim Drogenhandel bieten Auskünfte der Post über Absender und Empfänger von Sendungen auch hier erfolgsversprechende Ermittlungsansätze.

1.  Regelungslücke im Zusammenhang mit Postdienstleistern

Die Post muss jedoch gem. Art. 10 GG grundsätzlich das Postgeheimnis wahren und darf gerade keine Informationen über Absender oder Empfänger und Inhalt einer Postsendung an Dritte weitergeben. Das Postgesetz regelt einige wenige Ausnahmen von diesem Grundsatz. Danach dürfen Postmitarbeiter unzustellbare Pakete öffnen, um Hinweise auf die Empfänger oder Absender zu erhalten und den Inhalt beschädigter Pakte sichern. Soweit von Gegenständen aber keine unmittelbare körperliche Gefahr für die Mitarbeiter ausgeht – wie es bei Betäubungsmitteln der Fall ist -, dürfen und müssen Postmitarbeiter keine Meldung an die Strafverfolgungsbehörden geben.

Im Rahmen der Postbeschlagnahme nach § 99 StPO a.F. konnten an den Beschuldigten gerichtete Postsendungen beschlagnahmt werden, solange sie sich im Gewahrsam des Postdienstleisters befanden. An Informationen über Sendungen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postdienstleisters befanden (sog. retrograde Postdaten), konnten Ermittler über § 99 StPO a.F. jedoch nicht gelangen: Der Bundesgerichtshof entschied insoweit, dass § 99 StGB a.F. keine gesetzliche Grundlage für einen Auskunftsanspruch darstellte.

Diese Regelungslücke, die die Ermittler aufgrund der zunehmenden praktischen und gesellschaftlichen Bedeutung des Online-Handels vor große Schwierigkeiten stellte, hat der Gesetzgeber mit der Einführung eines Auskunftsverlangens in § 99 Abs. 2 StPO sowie einer Vorlagepflicht nach § 39 Abs. 4a Postgesetz geschlossen.

2.  Vorlagepflicht nach § 39 Abs. 4a PostG

Seit Inkrafttreten des § 39 Abs. 4a PostG am 18. März 2021 ist ein Postdienstleister verpflichtet, der zuständigen Strafverfolgungsbehörde eine Postsendung unverzüglich zur Nachprüfung vorzulegen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass mit der Postsendung eine strafbare Handlung begangen wird. Der Straftatenkatalog umfasst insbesondere den unerlaubten Handel mit Betäubungs- und Arzneimitteln, aber auch Straftaten aus dem Bereich des Waffen- oder Sprengstoffgesetzes.

Mit dieser neuen Vorschrift wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung die Effektivität der Strafrechtspflege sicherstellen und den spezifischen Gefahren begegnen, die sich aus dem Handel mit inkriminierten Gütern im Darknet ergeben. Die Bedeutung, die der Gesetzgeber der Vorlagepflicht beimisst, zeigt sich auch darin, dass die unterlassene oder nicht rechtzeitige Vorlage einer Postsendung eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 8a PostG darstellt, die mit einer Geldbuße bis zu EUR 500.000 geahndet werden kann.

3.  Auskunftsverlangen nach § 99 Abs. 2 StPO

Am 1. Juli 2021 trat § 99 Abs. 2 StPO in Kraft. Danach können Ermittler von Postdienstleistern Auskünfte über Postsendungen verlangen, die an den Beschuldigten gerichtet sind, von ihm herrühren oder für ihn bestimmt sind. Das betrifft auch Sendungen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinden. Die Auskunft umfasst u.a. Namen und Anschriften von Absendern, Empfängern und, soweit abweichend, von denjenigen Personen, welche die jeweilige Postsendung eingeliefert oder entgegengenommen haben. Die nach § 41 b Abs. 2 PostG bei dem Postdienstleister gespeicherten Ausweisdaten sowie die ohnehin gespeicherten Zahlungsinformationen bei der Nutzung von EC- und Kreditkarten für die Postdienstleistung, können über § 99 Abs. 2 StPO allerdings (noch) nicht abgefragt werden.

Um eine allgemeine Postkontrolle auszuschließen ist es erforderlich, dass sich das Verfahren bereits gegen einen Beschuldigten richtet. Dieser muss aber noch nicht genau identifiziert oder namentlich benannt sein. In dem richterlichen Beschluss ist der Auskunftsgegenstand so genau wie möglich zu bezeichnen. Bezüglich der Anordnung eines Auskunftsverlangen zu zukünftigen Postsendungen ist keine zeitliche Beschränkung vorgesehen.

Absender und Adressat der Postendung müssen nach § 101 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StPO von dem Auskunftsverlangen unterrichtet werden, sobald das ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks möglich ist. Ein unabsichtlicher Verstoß gegen diese Benachrichtigungspflichten führt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs allerdings nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

4.  Vermehrtes ermittlerisches Zugreifen auf Postdienstleister

Das gesetzgeberische Tätigwerden zeigt, dass die Strafverfolgungsbehörden, um dem Handel mit inkriminierten Gegenständen übers Internet wirksam zu begegnen, Postdienstleister zukünftig für die Aufklärung von Straftaten stärker in die Pflicht nehmen können, sollen und werden.

Bei Fragen mit Umgang der Vorlagepflicht und dem Auskunftsverlangen von Ermittlungsbehörden stehen Ihnen unsere Anwälte aus dem IT-Strafrechtsteam zur Verfügung.


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 Diana Nadeborn Diana Nadeborn