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Verdeckte Ermittler in sozialen Medien

   
4. September 2024

Ermittlung mit digitaler Tarnkappe – Welche Voraussetzungen gelten für Verdeckte Ermittler in sozialen Medien?

Ein beliebtes Thema in Filmen und Serien ist der Einsatz von Verdeckten Ermittlern. Polizeibeamte nehmen dabei eine Legende an, eine falsche Identität, um in Kontakt mit Verdächtigen zu treten, sie dabei in Sicherheit zu wiegen und Beweise gegen sie zu sammeln. Dieses Vorgehen steht unter den strengen Voraussetzungen der § 110a ff. StPO.

Eine sehr ähnliche Maßnahme ist der Einsatz eines sog. noeP, nicht offen ermittelnder Polizeibeamter. Diese Maßnahme sieht im Grunde genommen dieselbe Vorgehensweise vor, ist aber nicht auf Dauer angelegt. Im Unterschied zu Verdeckten Ermittlern ermitteln noeP ohne Kontrolle durch Staatsanwaltschaft oder Richtervorbehalt.

Im März 2024 hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation beschlossen. Danach sollen die Einsatzvoraussetzungen von Vertrauenspersonen – Privatpersonen, die verdeckt auf Anweisung von Ermittlungsbehörden Beweise sammeln – an die von Verdeckten Ermittlern gem. § 110a StPO angeglichen werden. Wie für den noeP existiert bisher keine spezielle Rechtsgrundlage für den Einsatz von Vertrauenspersonen.

Voraussetzungen der verdeckten Ermittlungen

Der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers gem. § 110a StPO setzt einen auf Tatsachen fußenden Verdacht hinsichtlich einer Straftat von erheblicher Bedeutung auf Gebieten der organisierten Kriminalität voraus. Ebenso können Ermittlungsbehörden Verdeckte Ermittler bei Gefahr der Wiederholung von Verbrechen einsetzen. Grundsätzlich muss die Staatsanwaltschaft dem Einsatz zustimmen. Richtet sich der Einsatz gegen einen bestimmten Beschuldigten oder muss während des Einsatzes eine Wohnung betreten werden, muss ein Gericht dem Einsatz zustimmen.

Ermittlungsbehörden stützen den Einsatz von noeP hingegen auf die Ermittlungsgeneralklausel aus § 161 StPO. Als Voraussetzung gilt lediglich ein Anfangsverdacht hinsichtlich jedweder Straftat.

Abgrenzung der Tätigkeit in der analogen Welt

Trotz ähnlicher Vorgehensweise unterscheiden sich die Anordnungsvoraussetzung der beiden Maßnahmen massiv. Für Einsätze in der analogen Welt wird anhand mehrerer Kriterien bewertet, welche der beiden Maßnahmen einschlägig ist. So wird auf die Dauer des Einsatzes und die Vorgehensweise beim Einsatz abgestellt. Wenn der Ermittlungsauftrag

  1. über einzelne wenige, konkret bestimmte Ermittlungshandlungen hinausgeht und wegen der Art und des Umfangs des Auftrags von vornherein abzusehen ist, dass die Identität des Beamten in künftigen Strafverfahren auf Dauer geheim gehalten werden muss, oder
  2. die Täuschung einer unbestimmten Anzahl von Personen über die wahre Identität des verdeckt operierenden Polizeibeamten umfasst und wenn dadurch eine Gefährdung des allgemeinen Rechtsverkehrs und eine erhebliche Beeinträchtigung der Rechte von Betroffenen eintritt,

sind Verdeckte Ermittler an die Voraussetzungen des § 110a StPO gebunden.

Abgrenzung bei Kontaktaufnahme im Internet

Abgrenzungskriterium ist das Vertrauen, das kontaktierte Personen in die Identität anderer Internetnutzenden haben dürfen. Nur wenn ein schutzwürdiges Vertrauen in dieser Hinsicht besteht, führt eine Täuschung über die Identität zu einem Grundrechtseingriff, der nicht durch die Ermittlungsgeneralklausel legitimierbar ist.

Im Internet entsteht ein schutzwürdiges Vertrauen nur, wenn ein Überprüfungsmechanismus besteht (Urteil des BVerfG vom 27.2.2008, Az. 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07). Nur wenn ein Website-Betreiber die Identität seiner Nutzenden überprüft, bevor diese die Website nutzen, können Nutzenden auf die Identität ihrer Kommunikationspartner vertrauen.

Die Prüfung kann man in rein technischer Funktion verstehen. Dies kann beispielsweise über das Video-Ident-Verfahren geschehen, bei dem ein Anbieter per Webcam den Personalausweis eines Nutzenden prüft. Solche Maßnahmen sind aber eher selten. Die Identitätsüberprüfung von Internetplattformen und Telekommunikationsdienstanbietern beschränkt sich häufig darauf, ob Nutzende eine funktionsfähige E-Mail-Adresse besitzen und einen Bestätigungslink anklicken können.

Tatsächlich besteht in öffentlichen Chat-Foren wie gutefrage.net oder reddit.com in der Regel kein Vertrauen in die Identität des Kommunikationspartners. Verlassen Nutzende aber den öffentlichen Raum und schreiben sich privat, verlassen sie sich häufig auf Namen und die auf dem Account einsehbaren Bilder des vermeintlichen Gegenübers, und stützen darauf ihre Vorstellung, mit genau dieser Person zu kommunizieren.

Fazit

Je mehr soziale Kontakte im Internet ein integraler Teil des Lebens werden, umso größer ist die Bereitschaft, in die Identität des anderen zu vertrauen. Ein umfassender Grundrechtsschutz von Internetnutzenden kann folglich nur durch eine explizite gesetzliche Regelung für noeP geschaffen werden. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber dies im Zuge der Angleichung der Einsatzvoraussetzungen von Vertrauenspersonen an die von Verdeckten Ermittlern gem. § 110a StPO aufgreifen würde.


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 Diana Nadeborn Diana Nadeborn