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Strafbarkeit wegen Betreibens einer kriminellen Plattform

   
18. Oktober 2023

Die Strafbarkeit wegen Betreibens einer kriminellen Plattform gem. § 127 StGB – Tatbestände, die bellen, beißen nicht.

Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Als gesetzgeberische Reaktion auf die wachsende Nachfrage von illegalen Onlinemärkten ist seit dem 01. Oktober 2021 das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet gem. § 127 StGB unter Strafe gestellt. Wegen dieses neuen Straftatbestands sind nun die mutmaßlichen Betreiber der Dritten Version von „Deutschland im Deepweb“ angeklagt, einer Online-Plattform, auf der vornehmlich illegal mit Drogen gehandelt wurde. Doch was bringt der § 127 StGB Neues und wie wirkt sich das Haftungsprivileg für Plattformbetreiber aus § 10 TMG auf die Strafbarkeit aus?

Die Voraussetzungen des § 127 StGB

Der Tatbestand des § 127 StGB setzt das Betreiben einer Handelsplattform im Internet voraus, die darauf ausgerichtet ist, die Begehung rechtswidriger Taten zu ermöglichen oder zu fördern. Handelsplattform iSd. § 127 StGB ist eine virtuelle Infrastruktur, in der Nutzer*innen Waren, Dienstleistungen oder Inhalte anbieten und austauschen können. Erfasst werden Plattformen im „normalen“ (mit herkömmlich Browsern erreichbaren) Internet sowie im Darknet. Rechtswidrige Taten iSd. § 127 Abs. 1 S. 2 StGB sind jegliche Verbrechen sowie die auf illegalen Onlinemärkten typischerweise geförderten Straftatbestände wie Betrug und Geldwäsche.

Die kriminelle Zweckrichtung der Plattform muss objektiver Natur sein. Ein wichtiges Indiz ist das Angebot auf der Plattform. Vereinzelte illegale Aktivitäten auf der Plattform reichen nicht aus. Es muss aber nicht die gesamte Plattform aus illegalen Angeboten bestehen. Auch die Gestaltung der Plattform kann ein Indiz sein. Macht der Betreiber durch das Erstellen von speziellen Kategorien auf der Website illegale Angebote extra sichtbar, spricht dies für eine kriminelle Ausrichtung. Teilweise wird vertreten, dass eine glaubwürdige und nachhaltige Compliance der Betreiber tatbestandsausschließend wirkt. Ein bloßes Lippenbekenntnis zu legalen Geschäftspraktiken ist aber nicht beachtlich. Dass die Verortung der Plattform im Darknet auch ein Indiz für die kriminelle Zweckrichtung sein soll, ist kritikwürdig. Plattformen im Darknet sind statistisch gesehen nicht hauptsächlich auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet. Die durch die Verortung erreichte Anonymität ist kein Alleinstellungsmerkmal und kann auch legitime Zwecke verfolgen.

Wie wirkt sich die Haftungsprivilegierung aus § 10 TMG auf § 127 StGB aus?

Betreiber von Websites haften gem. der Haftungsprivilegierung aus § 10 TMG nur für die von ihren Nutzern auf der Website begangenen Taten, wenn sie positive Kenntnis von diesen Taten haben. Der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass § 127 StGB nicht gegen das Haftungsprivileg verstößt (BT. Drs. 19/28175 S. 12 f.). Er begründet dies damit, dass vorsätzlich kriminelle Plattformen nicht das Haftungsprivileg aus § 10 TMG genießen würden. Das Haftungsprivileg setze immer positive Kenntnis der einzelnen rechtswidrigen Inhalte durch den Dienstanbieter voraus. Auch ein vermeintlich rechtsmissbräuchliches Ignorieren von Meldungen über rechtswidrige Inhalte führe nicht zu einem anderen Ergebnis.

Vertreten wird auch, dass die Bestrafung nicht an konkrete Inhalte der Nutzer gekoppelt sei. Als abstraktes Gefährdungsdelikt seien grundsätzlich keine Straftaten von Nutzern, über die der Betreiber Kenntnis haben müsste, für eine Strafbarkeit des Betreibers erforderlich.

§ 10 TMG ist  vor allem bei der Bewertung von Indizien für die kriminelle Ausrichtung der Website beachtlich. Würde man die Annahme einer kriminellen Ausrichtung auf das Vorliegen illegaler Angebote stützen, wäre die Strafbarkeit des Betreibers von den Inhalten der Nutzer abhängig. Auch Betreiber ursprünglich legaler Plattformen würden sich dann gem. § 127 StGB strafbar machen, wenn sie die Überwachung ihrer Website vernachlässigen. Schließlich könnte die Einrichtung einer glaubwürdigen und nachhaltigen Compliance des Betreibers nicht mehr tatbestandsausschließend wirken. Die besseren Argumente sprechen daher dafür, nicht das Angebot, sondern die Gestaltung der Plattform für die Zweckrichtung heranzuziehen.

Was bleibt vom Anwendungsbereich des § 127 StGB übrig?

Lässt man die nicht mit § 10 TMG vereinbaren Indizien außen vor, ist der Anwendungsbereich des § 127 StGB klein. Nur Betreiber, die ihre Plattform aktiv verwalten oder explizit für die Begehung von Straftaten gestaltet haben, werden erfasst. Diese machen sich aber in der Regel ohnehin als Täter oder Teilnehmer von Verstößen gegen BtmG, AMG, WaffG etc. strafbar. Automatisch verwaltete Plattformen oder solche, bei denen der Betreiber nicht mit der Plattform interagiert und nur potentiellen Straftätern einen Raum gibt, werden nicht erfasst.

Was ist mit Host-Providern?

In einem früheren Entwurf des § 127 StGB war eine täterschaftliche Strafbarkeit für Host-Provider, die lediglich eine technische Infrastruktur wie z.B. Speicherplatz für Websitebetreiber bereithalten, vorgesehen. Diese wurde jedoch ersatzlos gestrichen. Zwar heißt es in der nun gültigen Gesetzesbegründung, Host-Provider würden sich wegen Beihilfe zu den Straftaten ihrer Kunden strafbar machen. Regelmäßig wissen die Host-Provider, dass ihre Dienste auch für die Begehung von Straftaten genutzt werden können. Da sie aber auch das Haftungsprivileg aus § 10 TMG genießen, müssten sie erst positive Kenntnis von der kriminellen Ausrichtung der Plattform erlangen, damit der erforderliche Gehilfenvorsatz bejaht werden kann.

Fazit

§ 127 StGB erfasst im Ergebnis nur Betreiber, die sich bereits wegen anderer Normen strafbar machen. Die Einführung des Tatbestands konnte keine Strafbarkeitslücken schließen. Es ist ein Tatbestand, der bellt, aber nicht beißt.


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 Diana Nadeborn Diana Nadeborn