Das Wichtigste im Überblick
- Die Position des faktischen Geschäftsführers birgt erhebliche rechtliche und persönliche Haftungsrisiken, die unbedingt vermieden werden sollten.
- Eine frühzeitige rechtliche Prüfung des eigenen Status ist entscheidend, um ungewollte Haftungsfallen zu vermeiden.
- Umfassende rechtliche Beratung an der Schnittstelle von Gesellschafts-, Insolvenz- und Strafrecht ist für die Risikominimierung unerlässlich.
Als faktischer Geschäftsführer einer GmbH befinden Sie sich in einer rechtlich hochriskanten Position: Ohne formelle Bestellung üben Sie maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung aus und können dadurch persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Diese Situation entsteht oft schleichend und wird von vielen Betroffenen zunächst unterschätzt. Der folgende Artikel gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Grundlagen, potenzielle Risiken und notwendige Handlungsschritte.
Was ist ein faktischer Geschäftsführer?
Neben den ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführern in einer GmbH können sich Strukturen bilden, die dazu führen, dass weitere Personen rechtlich als faktische Geschäftsführung anzusehen sind. Faktische Geschäftsführung ist eine mit hohen Risiken verbundene Rechtsfigur. Sie sollte unter dem Gesichtspunkt möglicher Haftung unbedingt vermieden werden.
Rechtliche Anforderungen an das Vorliegen faktischer Geschäftsführung
Nach ständiger Rechtsprechung ist derjenige faktischer Geschäftsführer, der ohne förmlich dazu bestellt oder im Handelsregister eingetragen zu sein, im Einverständnis der Gesellschafter die Stellung eines Geschäftsführers tatsächlich einnimmt. Die Tatsache, dass daneben mindestens eine Person ordnungsgemäß zum Geschäftsführer bestellt ist, ändert daran nichts. Im Detail sind heute noch viele Fragen umstritten. Das verschärft das rechtliche Risiko – insbesondere das Risiko der persönlichen Haftung – für den faktischen Geschäftsführer deutlich. Eine der schwierigen Abgrenzungsfragen zwischen faktischer Geschäftsführung und einer gelegentlichen bloßen Mitarbeit, die man formal kaum rechtlich einordnen kann, ist, wann man davon sprechen kann, dass jemand in maßgeblichem Umfang die Geschäftsführungsfunktion übernommen hat. Nur wenn der Umfang als maßgeblich anzusehen ist, soll der faktische Geschäftsführer auch haften. Ob jemand als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist, richtet sich nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr eigenes Engagement in einem Unternehmen eine faktische Geschäftsführung darstellen könnte, dann schaffen Sie Klarheit! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und wir klären Ihren Status, damit Sie nicht in ungeplante Risiken hineinlaufen: mail@tsambikakis.com.
Typische Fallkonstellationen
Konstellationen, in denen faktische Geschäftsführung vorliegt, können sehr unterschiedlich sein, jedoch lassen sich typische Fallgestaltungen ausmachen. In familiengeführten Unternehmen kommt es immer wieder vor, dass ältere Geschäftsführer ihre hauptberufliche Tätigkeit aus Altersgründen aufgeben und dann in den Aufsichtsrat der Gesellschaft wechseln. Sie wollen ihrem bisherigen Unternehmen verbunden bleiben und doch die Geschicke des Unternehmens, das sie zuvor maßgeblich geprägt und aufgebaut haben, nicht ganz loslassen. Manchen gelingt das besser, anderen nicht ganz so gut. Der Rollenwechsel vom aktiven Geschäftsführer zum passiven Aufsichtsratsmitglied ist nicht immer leicht. Gerade in Krisensituationen kommt es vor, dass der ehemalige Geschäftsführer glaubt, sich aktiv einbringen zu müssen. Kraft seiner meist noch vorhandenen Autorität gerade in Familienunternehmen ist die Hemmschwelle niedrig, wieder aktiv ins Geschehen einzugreifen. Was vielleicht anfangs als punktuelle und zugleich wohlmeinende Unterstützung gedacht ist, kann dazu führen, dass faktische Geschäftsführung entsteht. Auf einmal nimmt der ehemalige Geschäftsführer wieder an Besprechungen teil und trifft aktiv Entscheidungen. Trotz formal fehlender rechtlicher Durchsetzungskraft werden die Entscheidungen umgesetzt. Da in solchen Konstellationen die formal bestellten Geschäftsführer der GmbH strukturell oftmals schwächer sind, gebieten sie keinen Einhalt. Demjenigen, der die GmbH jahrzehntelang erfolgreich geführt hat und dem man vielleicht den eigenen Werdegang zu verdanken hat, stellt man sich nicht in den Weg. Obwohl die bestellten Geschäftsführer rechtlich gerade dazu verpflichtet wären, sich das Heft nicht aus der Hand nehmen zu lassen.
Eine ähnlich gelagerte Situation kann auch in nicht familiengeführten GmbHs entstehen. Gemeint sind Konzernkonstellationen mit einer GmbH an der Spitze, z.B. als Holding, und darunterhängenden Tochtergesellschaften. Die Geschäftsführer der Holding sind häufig nur in einzelnen Tochtergesellschaften tätig oder aber oder in den Töchtern gar nicht zum Geschäftsführer bestellt. Kommt es zu Problemen in einer Tochtergesellschaft, treten unerwartete Vakanzen auf oder sind größere Umstrukturierungen geplant, kommt es vor, dass Holding-Geschäftsführer sich in die Geschicke von Tochtergesellschaften einmischen, um dort „die Linie der Holding-GmbH“ durchzusetzen. Auch hier kann punktuelle Einmischung schnell in faktische Geschäftsführung übergehen. Und letztlich greifen ähnliche Mechanismen wie in der familiengeführten GmbH: einem Holding-Geschäftsführer stellt man sich nicht einfach in den Weg. An sich müssten die Geschäftsführer der Tochter-GmbH sicherstellen, dass nur sie die Geschäfte führen und dafür sorgen, dass es nicht zur faktischen Geschäftsführung kommt. Die Praxis zeigt, dass es oftmals gerade umgekehrt läuft und man den faktischen Geschäftsführer gewähren lässt.
Und schließlich kommt gelegentlich die Konstellation vor, in der ein ehemaliger Geschäftsführer die Gesellschaft nicht mehr führen darf, weil ihm dies aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung nicht möglich ist. Ein weiterer Ausschlussgrund könnte sein, dass jemand aufgrund seiner hauptberuflichen Tätigkeit gehindert ist, parallel die Geschäftsführung einer GmbH innezuhaben. In dieser Konstellation wird gelegentlich jemand anderes formal zum Geschäftsführer gemacht (sog. Strohmann-Geschäftsführer). Faktisch werden die Geschäfte aber weiterhin von demjenigen geführt, der die GmbH aufgrund des Ausschlusses eigentlich nicht führen dürfte.
Letztlich sind sehr viele Konstellationen vorstellbar. Allen gemein ist, dass die bestellten Geschäftsführer ihrer rechtlichen Pflicht, sich gegen faktische Geschäftsführer durchzusetzen und deren Treiben Einhalt zu gebieten, nicht nachkommen.
Gleiche Rechte, gleiche Pflichten?
Rechte hat der faktische Geschäftsführer genau genommen keine. Denn seine Stellung resultiert aus der Überschreitung des vom Recht an sich gebilligten Rahmens. Er ist nicht bestellt worden und entsprechend auch nicht im Handelsregister eingetragen. Rechte, auf die er sich berufen könnte, oder ein Status, der ihm zustünde, gibt es dementsprechend nicht. Anders sieht es bei den Pflichten (und daraus resultierend bei der Haftung) aus. Den faktischen Geschäftsführer treffen die Pflichten, die auch den ordentlichen Geschäftsführer treffen. Er muss alle seine Handlungen daran messen lassen, ob diese dem Anspruch an einen ordentlich handelnden Kaufmann gerecht werden. Das umfasst z.B. die pünktliche und vollständige Abführung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Er muss seinen kaufmännischen Pflichten nachkommen, insbesondere den Jahresabschluss ordnungsgemäß erstellen. Er muss sicherstellen, dass alle rechtlichen Anforderungen, die das Unternehmen zu erfüllen hat, auch tatsächlich erfüllt werden. Kommt er diesen Pflichten nicht ausreichend nach, droht ihm die persönliche Haftung, was im Extremfall existenzgefährdend sein kann.
Haftung des faktischen Geschäftsführers
Haftungsschuldner kann prinzipiell jede natürliche und juristische Person sein, die einen Haftungstatbestand erfüllt. Haftungstatbestände gibt es zahlreiche. Steht fest, dass eine Person rechtlich als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist, treffen ihn dieselben Haftungsrisiken wie einen ordentlichen Geschäftsführer. D.h., auch auf den faktischen Geschäftsführer findet § 43 Abs. 1 GmbHG Anwendung; für ihn gelten dieselben Sorgfalts- und Treuepflichten wie für einen ordentlichen Geschäftsführer. Auch der faktische Geschäftsführer sieht sich mit der meist schwierigen Situation konfrontiert, dass er im Prozess darlegen und beweisen muss, dass er keinen Pflichtverstoß begangen hat.
An dieser Stelle sollen exemplarisch einige typische Fallkonstellationen dargestellt werden. In Betracht kommt die Haftung für Steuerschulden der GmbH. Das gilt allerdings nur, wenn die Tätigkeit für die Gesellschaft so umfangreich gewesen ist, dass man von einer maßgeblichen Geschäftsführungsfunktion ausgehen muss. Dies sah das Finanzgericht Köln als nicht erfüllt an, wenn der Handelnde in einem Zeitraum von sechs Jahren lediglich zwei Lieferantenverträge abgeschlossen hatte.
Der faktische Geschäftsführer aber kann auch haften, wenn er noch Zahlungen zu Lasten der GmbH nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung getätigt hat. Ebenfalls kommt eine Haftung für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge und nicht abgeführte Steuern in Betracht. Auch eine deliktische Haftung im Zusammenhang mit einer Untreue ist möglich. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der faktische Geschäftsführer einem Dritten Aufträge „verschafft“, die preislich überhöht, nicht erforderlich oder gar beides sind. Letztlich sind bei möglichen Haftungsszenarien der Fantasie kaum Grenzen gesetzt.
Was ist zu bedenken im Falle einer drohenden Insolvenz?
Auch hier kommt es zu einem rechtlichen Gleichlauf zwischen einem ordentlich bestellten Geschäftsführer und dem faktischen Geschäftsführer. Allerdings würde der Insolvenzantrag des faktischen Geschäftsführers vom Insolvenzgericht als unzulässig zurückgewiesen. Dem faktischen Geschäftsführer fehlt die erforderliche Antragsbefugnis. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs trifft ihn aber stattdessen die Pflicht, auf die ordentlichen Geschäftsführer bzw. die Gesellschafter einzuwirken, um die Stellung des Insolvenzantrags zu bewirken.
Strafrechtliche Risiken des faktischen Geschäftsführers
Kommt der faktische Geschäftsführer den vorgenannten Pflichten nicht nach, kommt grundsätzlich auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit in Betracht. Auch die Tatbestände von Ordnungswidrigkeiten können erfüllt sein. Hier bedarf es jedoch insbesondere im Hinblick auf das Analogieverbot im Strafrecht einer sehr differenzierten Betrachtung im Einzelfall, welche Tatbestände in Betracht kommen und welche nicht.
Was bieten wir als Kanzlei an?
Unsere Kanzlei bietet umfassende Beratung und Vertretung für Gesellschafter und Geschäftsführer von Unternehmen. Mit unserer langjährigen Expertise im Bereich der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit stehen wir Ihnen in allen rechtlichen Fragen zur Seite. Wir haben zahlreiche Manager in Haftungsfällen (D&O-Risiken) erfolgreich vertreten und unterstützen Unternehmen proaktiv in allen Compliance-Fragen, um Haftungsrisiken von vornherein zu vermeiden. Kommt es zu Ermittlungen im Zusammenhang mit faktischer Geschäftsführung, verteidigen wir Unternehmensverantwortliche mit Kompetenz und Erfahrung.
Häufig gestellte Fragen
1. Was ist ein faktischer Geschäftsführer?
Ein faktischer Geschäftsführer ist eine Person, die ohne formelle Bestellung oder Eintragung im Handelsregister im Einverständnis der Gesellschafter die Rolle eines Geschäftsführers tatsächlich übernimmt. Diese Rolle ist mit hohen rechtlichen Risiken verbunden und sollte vermieden werden.
2. Wann haftet ein faktischer Geschäftsführer?
Ein faktischer Geschäftsführer haftet nur, wenn er in maßgeblichem Umfang die Geschäftsführungsfunktion übernommen hat. Die Abgrenzung zwischen faktischer Geschäftsführung und gelegentlicher Mitarbeit ist oft schwierig und hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
3. Was sollte man tun, wenn man unsicher ist, ob man als faktischer Geschäftsführer gilt?
Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Engagement in einem Unternehmen eine faktische Geschäftsführung darstellt, sollten Sie rechtlichen Rat einholen. Sie können Ihre Fragen an mail@tsambikakis.com senden, um Ihren Status zu klären und Risiken zu vermeiden.
4. Was ist im Falle einer drohenden Insolvenz zu beachten?
Im Falle einer drohenden Insolvenz gibt es einen rechtlichen Gleichlauf zwischen einem ordentlich bestellten Geschäftsführer und dem faktischen Geschäftsführer. Der Insolvenzantrag des faktischen Geschäftsführers wird jedoch als unzulässig zurückgewiesen, da ihm die Antragsbefugnis fehlt. Er muss stattdessen auf die ordentlichen Geschäftsführer oder Gesellschafter einwirken, um den Insolvenzantrag zu stellen.
5. Kann der faktische Geschäftsführer für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern haften?
Ja, der faktische Geschäftsführer kann für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern haften.
6. Gibt es Grenzen für die Haftungsszenarien des faktischen Geschäftsführers?
Bei möglichen Haftungsszenarien sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt, was bedeutet, dass viele verschiedene Haftungsszenarien denkbar sind.
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