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Das Cyberbunker Urteil

   
13. September 2023

Wie weit geht das Privileg für Host-Provider?

Es passiert nicht häufig, dass Host-Provider, die auf ihren Servern Speicherplatz für die Webseiten anderer anbieten, in Deutschland vor Gericht stehen. Straftäter bevorzugen eher Host-Provider mit Servern in einem anderen Land. Das LG Trier verurteilte am 13.12.2021 (Az. 2a KLs 5 Js 30/15) die Betreiber der Cyberbunker GmbH. Sie boten Serverplätze in einem ehemaligen NATO- Bunker in Rheinlandpfalz und den Niederlanden an. Sie warben damit, dass jegliche Inhalte, mit Ausnahme von Kinderpornografie und terroristischen Inhalten, ohne Unterbrechung gehostet werden (sog. Bulletproofhosting). Gegen das Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagten Revision ein. Wir erläutern, wie das LG Trier geurteilt hat und was der BGH dazu meint.

Strafbarkeit wegen Beihilfe

Die Bereitstellung der Serverkapazitäten und das Angebot zur Hilfe beim Verschleiern des Standorts kann als Beihilfe zu den verschiedenen Haupttaten gesehen werden, die über die auf den Servern gehosteten Webseiten begangen wurden. Auf rein tatsächlicher Ebene haben die Betreiber des Cyberbunkers so z.B. dem zur damaligen Zeit größten illegalen Online-Markt „Wallstreet Market“ das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ermöglicht.

Beachtung findet hier jedoch das Haftungsprivileg für Host-Provider aus § 10 TMG. Host-Provider, wie die Cyberbunker GmbH, haften demnach nur dann für einzelne rechtswidrige Inhalte, wenn sie davon positive Kenntnis haben, oder sie nicht löschen, nachdem sie davon positive Kenntnis erlangt haben. Das Geschäftsmodell der Cyberbunker-Betreiber war aber gerade darauf ausgelegt, sich nicht weiter mit den Tätigkeiten auf ihren Servern zu befassen. Sie wussten also im Vorfeld von keinen konkreten strafbaren Handlungen ihrer Kunden. Zwar erhielten die Betreiber im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Meldungen, durch die sie positive Kenntnis von den strafbaren Handlungen auf den Servern hätten erhalten können, einen Großteil der Meldungen haben sie aber gar nicht erst gelesen.

Auch ohne Berücksichtigung des Haftungsprivilegs aus § 10 TMG konnte den Angeklagten nicht der notwendige Eventualvorsatz für die Beihilfe an den einzelnen Taten ihrer Kunden nachgewiesen werden. Das Vermieten von Serverplätzen stellt eine sog. neutrale Handlung dar. Host-Provider müssen nicht davon ausgehen, dass sie mit ihren Diensten einzelne Straftaten ermöglichen oder fördern. Eine strafbare Beihilfe kommt indes nur in Frage, wenn der Host-Provider positive Kenntnis von dem strafbaren Vorhaben seiner Kunden hat, oder das vom Host-Provider erkannte Risiko strafbaren Verhaltens seines Kunden derart hoch ist, dass er mit seiner Unterstützung einen erkennbar tatgeneigten Täter fördert. Nach einer Gesamtabwägung des Gerichts haben die Betreiber der Cyberbunker GmbH dieses Risiko jedoch nicht gekannt. Auch die Kenntnis der Vorbestrafung eines Kunden reiche nicht aus.

Die Angeklagten haben sich nach Ansicht des LG Trier daher nicht wegen Beihilfe hinsichtlich der von ihren Kunden begangenen Taten strafbar gemacht.

Strafbarkeit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung

Das LG Trier bejahte jedoch eine Strafbarkeit wegen Gründung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB. Im Zuge dessen hat die Kammer die Cyberbunker GmbH als kriminelle Vereinigung eingestuft. Eine kriminelle Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist.

Die acht Angeklagten, die arbeitsteilig für das Anbieten von Hosting-Dienstleistungen der Cyberbunker GmbH tätig gewesen sind, bildeten einen organisierten Zusammenschluss. Auf diese Weise organisieren sich aber auch zwangsläufig alle Hosting-Provider.

Zusätzlich musste der angestrebte Zweck der Cyberbunker GmbH die Begehung von Straftaten sein. Hierbei ist es unbeachtlich, ob tatsächlich konkrete Straftaten begangen worden sind. Entscheidend ist, ob die geplanten Aktivitäten der Vereinigung eine Vielzahl abstrakter Straftaten erfüllen würden. Die Gestaltung der Werbung der Cyberbunker GmbH, alle Inhalte ihrer Kunden, außer Kinderpornografie und Terrorismus, vor staatlichem Zugriff zu schützen und die Verschleierung des Standorts der eigenen Server, sprachen aus Sicht der Kammer für diese kriminelle Ausrichtung. Deshalb, so die Kammer, sollen die acht Angeklagten davon ausgegangen sein, dass die Beihilfe an einer Vielzahl von Straftaten durch die Bereitstellung der Server möglich sei. Für unbeachtlich hielt die Kammer, dass die Betreiber direkte Anfragen zum Hosten illegaler Inhalte verneint hatten. Auch die vereinzelte Löschung illegaler Inhalte soll lediglich dem Selbstschutz der Cyberbunker GmbH gedient haben.

Worum ging es in der Revision?

Für die Angeklagten war entscheidend, ob auch im Rahmen einer Strafbarkeit gem. § 129 StGB das Haftungsprivileg aus § 10 TMG anwendbar ist, wonach Provider nur bei konkretem Wissen von den rechtswidrigen Inhalten ihrer Kunden haften. Selbst wenn der Host-Provider entsprechende Hinweise nicht liest, kann er sich auf dieses Haftungsprivileg berufen. So eine Vorgehensweise mag zwar rechtsmissbräuchlich erscheinen, führt aber nicht dazu, dass Host-Provider sich nicht mehr auf das Haftungsprivileg berufen können. Die Verneinung der Beihilfestrafbarkeit der Angeklagten erscheint zudem widersprüchlich zur Bejahung der kriminellen Ausrichtung der Vereinigung. Einerseits sollen die Host-Provider nicht das Risiko erkannt haben müssen, dass die Vermietung der Serverplätze der Ermöglichung von Straftaten dienen könne, andererseits sollen sie es als Vereinigung gerade auf die Ermöglichung und Erleichterung einer Vielzahl von Straftaten angelegt haben.

Der BGH bestätigte mit Urteil vom 12.09.2023 (Az. 3 StR 306/22 ) ganz überwiegend das Urteil des LG Trier. Vor dem LG Trier muss nur erneut verhandelt werden, ob nicht auch die Ausstattungsgegenstände der Cyberbunker GmbH eingezogen werden können. Der Schuldspruch hinsichtlich § 129 StGB bleibt bestehen. Nach Ansicht des BGH entfällt die Strafbarkeit nicht aufgrund des Haftungsprivilegs aus § 10 TMG. Eine Beihilfe-Strafbarkeit, wie sie die Staatsanwaltschaft gefordert hat, lehnt der BGH aber ebenfalls ab, da die Angeklagten keine konkrete Kenntnis von den Haupttaten besaßen.

Fazit

Das Urteil des LG Trier spiegelt den gesellschaftlichen Diskurs über Freiheit im Netz wider. Auf der einen Seite soll ein freiheitlicher Staat im Gegensatz zu autoritären Diktaturen Telemediendienstanbietern keine Kontrollpflichten aufbürden; straflos sollen diejenigen, die diese Freiheit bis an die Grenze treiben, aber nicht davonkommen. Wie der BGH nun bestätigte, haben sich die Angeklagten wegen der Planung von Beihilfetaten strafbar gemacht. Eine konkrete Beihilfetat in den Jahren, in denen sie tätig waren, konnte ihnen hingegen nicht nachgewiesen werden.


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 Diana Nadeborn Diana Nadeborn