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Die elektronische Patientenakte – vom Opt-in zum Opt-out

   
26. Juni 2023

Bislang war die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) für die Versicherten freiwillig. Wer eine haben wollte, musste sie einfordern (Opt-in). Bis Ende 2024 plant Bundesgesundheitsminister Lauterbach, die ePA für alle verpflichtend einführen. Wer dann nicht will, dass seine Daten in einer ePA gespeichert und allen oder auch nur einem Teil der Behandler zur Verfügung gestellt wird, muss aktiv widersprechen (Opt-out). 

Die elektronische Patientenakte - was bisher geschah:

Seit dem 1. Januar 2021 können alle Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) von ihrer Krankenkasse erhalten. Alle vertragsärztlich tätigen Leistungserbringer mussten sich spätestens bis zum 1. Juli 2021 mit den für die Nutzung der ePA erforderlichen Komponenten ausstatten. Ziel der Einführung der ePA war es, den Informationsaustausch zu Befunden, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichten und Medikamentenplänen eines Patienten unter den Behandlern zu verbessern und so u.a. belastende Mehrfachuntersuchungen zu vermeiden oder auch Notfallmediziner über die Krankenvorgeschichte zu informieren. Nun steht die Wandel vom Opt-in zum Opt-out an.

Warum wechselt das Bundesministerium für Gesundheit zum Opt-out?

Seit Einführung der ePA haben weniger als 1% der Versicherten sich für die Befüllung und somit für die Nutzung einer ePA entschieden. Dies ist zu wenig. Zu wenig, um die Digitalisierung des Gesundheitswesens voranzutreiben, zu wenig, um die Ziele, die mit der Einführung verbunden waren, zu erreichen. Die Daten der ePA sollen, so Gesundheitsminister Lauterbach, nicht nur dem Wohl des einzelnen Patienten dienen. Mit den Daten sollen auch bis Ende 2026 mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden. Dafür braucht es mehr Daten.

Wie funktioniert das Opt-out?

Grundsätzlich bekommt im Opt-out Verfahren jeder – gesetzlich – Krankenversicherte eine ePA, es sei denn, er widerspricht. Wer also zukünftig keine ePA möchte, muss dies aktiv gegenüber seiner Krankenkasse äußern. Wer nicht ganz raus möchte, sondern „nur“ steuern möchte, wer auf seine Daten zugreifen kann, soll dies auch können. Die Krankenkassen bieten schon jetzt über eine App Zugriff auf die ePA an (aktuell nur für diejenigen, die aktiv die Erstellung einer ePA eingefordert haben). Über die App soll jeder selektieren können, welche Arztpraxen und Krankenhäuser auf die Dokumente zugreifen können. Bei der Gematik finden Sie eine Übersicht über die ePA-Apps der Krankenkassen: https://www.gematik.de/anwendungen/e-patientenakte/epa-app/

Wer keine digitale Anwendung nutzt, soll über seine Gesundheitskarte und eine PIN eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus berechtigen können. Grundsätzlich sollen alle Leistungserbringer im Behandlungskontext Zugriffsrechte auf die ePA haben. Auch hier ist also ein aktives Tätigwerden erforderlich, wenn man dies nicht will.

Für wen ist das Opt-out wichtig?

Zunächst einmal ist es für jeden Versicherten wichtig zu überlegen, welcher Behandler welche Unterlagen sehen soll. Will jemand beispielsweise nicht, dass der Zahnarzt von einer Krebserkrankung oder einer Psychotherapie erfährt, sollte er dies sicherheitshalber in der ePA entsprechend einrichten (lassen). Wer dem Braten aka der Datensicherheit nicht traut, kann vorläufig die Opt-out-Option wählen. Die Erfahrungen der Vergangenheit mit dem Thema Telematik haben gezeigt, dass es einige Zeit braucht, bis die Dinge so funktionieren, wie gedacht.

Ein Thema, dass derzeit eher unter den Tisch fällt, ist die Frage, ob auch Minderjährige selbst bestimmen können, wer ihre Daten sehen kann und ob sie selbst das Opt-out-Verfahren durchführen können. Auf der Seite des Bundesministeriums für Gesundheit heißt es dazu nur, dass „im Einzelfall unter Berücksichtigung der Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Minderjährigen (vorhandenes Verständnis des Minderjährigen für die Tragweite der Entscheidung und die allgemeine altersabhängige Reife) entschieden werden muss, ob ihm bei der Frage, was in die ePA eingestellt wird bzw. welcher Arzt darauf Zugriff erhalten soll, ein Mitsprache- oder sogar alleiniges Entscheidungsrecht eingeräumt werden sollte. Dabei ist stets das Kindeswohl zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für die Frage, inwieweit ein minderjähriges Kind fordern kann, dass Daten aus seiner ePA gelöscht werden.“

Auf die Frage, ob ein minderjähriges Kind sich gegen eine ePA entscheiden kann, wird hier gar nicht eingegangen. Auch nicht darauf, wer denn entscheidet, ob die Einsichtsfähigkeit vorhanden ist, ob es dem Kindeswohl dient - der behandelnde Arzt/die Ärztin? Oder ein Gericht?

Ebenfalls offen ist, ob Eltern die Einsicht in die ePA verwehrt werden kann, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre. Dies ist beispielsweise in Fällen denkbar, in denen sich ein(e) Minderjährige(r) gegenüber einem Behandler öffnet und von dem Missbrauch/Gewalt berichtet, der ihm/ihr im elterlichen Haushalt widerfährt. Nicht berücksichtigt wurde bislang, dass es gerade im Bereich der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie für den Behandlungserfolg häufig unabdingbar ist, dass die Kinder und Jugendlichen selbst entscheiden können, ob und was an Behandlungsinhalten die Eltern erfahren sollen.

Auf Seiten der Versicherten wie auf Seiten der Behandler stellen sich Abgrenzungsfragen, welche Angaben die ePA enthalten soll. Wir beraten Sie hierbei gerne.


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