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Aktuelles Aktuelles Medizinstrafrecht   

Unrichtigkeit von Maskenbefreiungsattesten

   
2. November 2023

Eine jüngere Entscheidung des Bayrischen Obersten Landesgerichts (Beschl. v. 5.6.2023 – 206 StRR 76/23) illustriert im Kontext der Coronapandemie, welcher Maßstab für die Unrichtigkeit von Gesundheitszeugnissen gilt.

Der angeklagte Gynäkologe, der Infektionsschutzmaßnahmen kritisch gegenüberstand, war der Ansicht, dass das Tragen einer Schutzmaske generell als gesundheitsgefährdend einzuschätzen sei. Ab Juni 2020 stellte er Kindern und Jugendlichen daher Maskenbefreiungsatteste mit dem Text aus, dass sie „aus schwerwiegenden med. Gründen von der Gesichtsmaskenpflicht befreit“ seien, oder dass es ihnen „aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar“ sei, eine Mund-Nasenbedeckung zu tragen. Diese waren zur Vorlage in staatlichen Schulen angedacht. Die Ausstellung erfolgte, ohne dass der Angeklagte zuvor persönlichen Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen gehabt oder mit ihnen gesprochen oder sie untersucht hätte.

Das Gericht führt aus, dass ärztliche Atteste gemäß § 278 StGB auch unrichtig seien, wenn sie ohne persönliche Untersuchung ausgestellt werden, obwohl keine besonderen Umstände vorliegen, die dies ausnahmsweise rechtfertigen könnten. Das gelte auch dann, wenn eine tatsächlich durchgeführte Untersuchung den attestierten Befund bestätigt hätte. Die Vorschrift des § 278 StGB solle die Beweiskraft ärztlicher Zeugnisse schützen. Das Vertrauen in ärztliche Zeugnisse beruhe darauf, dass eine ordnungsgemäße Informationsgewinnung, etwa durch eine Untersuchung, stattgefunden hat. Ein ärztliches Attest solle Gewähr dafür bieten, dass für die Befreiung von der Maskenpflicht im Einzelfall tatsächlich medizinische Gründe sprachen und die Atteste nicht wegen individueller Unlust, Uneinsichtigkeit oder mangelnder Rücksicht vergeben wurden. Das Gericht stellt fest, dass die Vorbehalte des Angeklagten, mögen sie aus seiner Sicht auch medizinisch begründbar sein, ihn keineswegs berechtigten, die Ausstellung der Maskenbefreiungsatteste auf seine generalisierende Auffassung zu stützen. Zudem sei er nicht berechtigt gewesen, die Atteste ohne Einzelfallprüfung und -untersuchung auf schriftliche, telefonische und persönliche Anforderung auszustellen. Dadurch werde nach Ansicht des Gerichts das vom Staat in Ärzte gesetzte besondere Vertrauen in die Prüfung, dass im Einzelfall aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Maske unmöglich oder unzumutbar ist, aufs Gröbste verletzt.

Die Coronapandemie hat nicht nur dazu geführt, dass für die Fälschung von Gesundheitszeugnissen neue Straftatbestände geschaffen und die bestehenden Straftaten geändert wurden. Darüber hinaus hat sich durch die massenhafte Beschäftigung der Gerichte mit der Fälschung von Testergebnissen, Impfzertifikaten und Attesten inzwischen eine differenzierte Rechtsprechung herausgebildet. Damit Sie den Überblick nicht verlieren, stehen Ihnen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB gerne zur Verfügung.


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