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Zeitpunkt der Aufklärung

   
15. März 2023

Nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im Strafrecht setzt eine wirksame Einwilligung des Patienten oder der Patientin in einen ärztlichen Heileingriff eine ordnungsgemäße Aufklärung voraus. Im Falle von Aufklärungsmängeln ist die Einwilligung grundsätzlich unwirksam, was den Vorwurf der (fahrlässigen) Körperverletzung begründen kann. Denn nur mit einer fehlerfreien Aufklärung können Patientinnen und Patienten ihr Selbstbestimmungsrecht frei ausüben.  
Neben dem Inhalt der Aufklärung, der durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen konkretisiert wird, kommt es auch auf den Zeitpunkt der Aufklärung an. Patienten und Patientinnen müssen so rechtzeitig vor einem beabsichtigten medizinischen Eingriff aufgeklärt werden, dass sie durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe ihre Entscheidungsfreiheit und damit ihr Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen können. Höchstrichterliche Entscheidungen, die den Zeitpunkt der Aufklärung konkretisieren, lassen sich deutlich seltener finden. Nun hat der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung (BGH, Urt. v. 20.12.2022 - VI ZR 375/21) klargestellt, dass zwischen Aufklärung und Einwilligung keine zwingende Bedenkzeit einzuhalten ist. Patientinnen und Patienten könnten auch unmittelbar im Anschluss an die erfolgte Aufklärung durch den Arzt oder die Ärztin entscheiden, in eine Behandlung einzuwilligen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Entscheidend sei allein, dass die Möglichkeit zu einer reflektierten Entscheidung gewährleistet ist. 

Der Patient oder die Patientin muss grundsätzlich aktiv von seinem bzw. ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen und an der Behandlungsentscheidung mitwirken. Sieht sich der Patient oder die Patientin nach dem Aufklärungsgespräch noch nicht in der Lage, eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen, sondern bedarf weiterer Bedenkzeit, muss er bzw. sie dies äußern. Äußert sich der Patient oder die Patientin nicht, so könne der Arzt oder die Ärztin grundsätzlich davon ausgehen, dass er bzw. sie keine weitere Überlegungszeit benötigt. 

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht der Bundesgerichtshof dann, wenn für den Arzt oder die Ärztin erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Patient oder die Patientin noch Zeit für seine bzw. ihre Entscheidung benötigt. Solche Anhaltspunkte könnten beispielsweise in einer besonders eingeschränkten Entschlusskraft des Patienten liegen oder wenn dem Patienten nicht die Möglichkeit gegeben wird, weitere Überlegungszeit in Anspruch zu nehmen. Das ist etwa - von medizinisch dringenden Behandlungsmaßnahmen abgesehen - dann anzunehmen, wenn der Patient oder die Patientin zu einer Entscheidung gedrängt oder „überfahren“ wird. 

Bei Fragen rund um das Thema Einwilligung und Aufklärung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.  


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