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Geschäftsgeheimnisschutz und Catch-All-Klauseln

   
24. Oktober 2022

Wer unbefugt Geschäftsgeheimnisse offenbart, kann sich nach §§ 203 StGB, 23 GeschGehG strafbar machen. Mit dem Inkrafttreten des GeschGehG im April 2019 wurde der Begriff des Geschäftsgeheimnisses, orientiert an europäische Vorgaben, neu definiert. Ein wesentlicher Bestandteil der Definition sind die angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen, die die Information vor unbefugtem Zugang schützen sollen (vgl. § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG). Werden keine angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen, kann der Schutz des GeschGehG nicht in Anspruch genommen werden. Jüngst hat sich das Arbeitsgericht Aachen mit vertraglichen Geheimhaltungsverpflichtungen auseinandergesetzt und einen Geheimnisschutz bei der Verwendung sog. Catch-All-Klauseln verneint.

Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen

Geheimhaltungsmaßnahmen gliedern sich in technische, organisatorische und vertragliche Maßnahmen auf. Wenn sich der Kläger oder die Klägerin in einem Verfahren auf den Schutz des GeschGehG beruft, muss er oder sie das konkrete Geheimnisschutzmanagement für die streitgegenständlichen Informationen darlegen, damit das Gericht die Angemessenheit der Maßnahmen beurteilen kann. Das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit ermöglicht eine flexible Beurteilung im Einzelfall. Faktoren, die bei der Bewertung der Angemessenheit ins Gewicht fallen, sind insbesondere der Wert des Geheimnisses und dessen Bedeutung für das Unternehmen. In einem Fall, in dem die Informationen von zentraler Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin waren, stellte das Arbeitsgericht Aachen demgemäß erhöhte Anforderungen an die Schutzmaßnahmen (ArbG Aachen, 13.01.2022 – 8 Ca 1229/20).

Catch-all-Klauseln als vertragliche Geheimhaltungsmaßnahmen

In ebendiesem Verfahren stützte sich die ehemalige Arbeitgeberin auf eine arbeitsvertragliche Vertraulichkeitsklausel als eine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme. Diese Klausel verlangte die Geheimhaltung aller Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie aller sonstigen, im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Vorgänge und Angelegenheiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus. Eine solche Klausel, die umfassende Geheimhaltungspflichten begründet, wird auch “Catch-all-Klausel“ genannt. Diese wurde von dem Gericht für unwirksam erklärt. Die in der Regelung vorgesehene zeitlich und inhaltlich uneingeschränkte Geheimhaltungspflicht gehe über das berechtigte Interesse des Arbeitgebers weit hinaus und trägt der besonderen Situation des Arbeitnehmers, der in Wahrnehmung seiner grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit den Arbeitgeber unter Verwertung seines Fachwissens wechseln können muss, nicht ausreichend Rechnung.

Die Geheimhaltungspflicht darf sich daher nicht uferlos auf alle während des Arbeitsverhältnisses erhaltenen betrieblichen Informationen erstrecken. Vielmehr bedarf es einer konkreten und transparenten Regelung. Insbesondere für die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses enthält eine Catch-all-Klausel eine übermäßige Vertragsbindung, die gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und somit unwirksam ist. Auch einer AGB-Kontrolle halten solche Klauseln nicht stand. Ein berechtigtes betriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung muss sich vielmehr auf konkrete Daten und Sachverhalte beschränken, zudem angeben, wie lange nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses die geheimhaltungsbedürftige Tatsache noch geheim zu halten ist (ArbG Aachen, 13.01.2022 – 8 Ca 1229/20).

Compliance

Es empfiehlt sich in der Praxis ein detailliertes Geheimhaltungsschutzkonzept für sensible Informationen zu entwickeln. Die in so gut wie jedem Arbeitsvertrag enthaltenen Geheimhaltungsklauseln sind hierbei konkret und transparent auszugestalten, um vorausschauend für den Fall der Verletzung der Geheimhaltungspflichten den Grundstein für die zivil- und strafrechtliche Interessenverfolgung zu legen. Auch wenn ein enumerativer Katalog dafür nicht notwendig und oft auch gar nicht praktikabel sein wird (z. B., weil bei Vertragsabschluss noch nicht absehbar ist, welche Geschäftsgeheimnisse ein Entwicklungsprozess hervorbringen wird). So sollten jedenfalls die Kriterien für den Vertraulichkeitsschutz erkennbar sein.

Unser IT-Strafrechtsteam steht Ihnen hierfür gerne sowohl vor als auch nach einer Geheimnisverletzung zur Verfügung.


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 Diana Nadeborn Diana Nadeborn